Die Überwachung zweier autonomer Freiräume in der Burgunder Hauptstadt Dijon begann möglicherweise schon vor 2019. Zumindest sind die weißen Boxen, welche „Techniker“ an Betonstrommasten installierten, bei Google-Street-View schon in älteren Aufnahmen zu erkennen. Erst am Donnerstag wurden die staatlichen Überwachungsmaßnahmen durch Betroffene öffentlich gemacht. Die Autonome-Szene in Dijon kritisiert einen breit angelegten Angriff auf die Privatsphäre und Lebensräume der BesetzerInnen. Auch Versammlungen der Gilets-Jaunes, sowie Treffen von Antifa-, linken Medien- und NoBorder-Gruppen, waren von den Videoaufzeichnungen betroffen.
Die perfiden Überwachungs-Vorrichtungen waren in weißen Metallkästen verbaut, die unter „Amtshilfe der Stromunternehmen und/oder der Telekom installiert worden sein müssen“ vermutet die Aktivistin Camille. Im Inneren der Kästen fanden autonome TechnikerInnen eine Kamera und Funktechnik, die wohl zur Übertragung der Bilder diente. Über Jahre waren die Boxen für die in den Tanneries und dem freien Viertel Lentillères Verkehrenden Teil des Dekors. Nachdem BewohnerInnen erste Boxen abgebaut hatten, reagierten die Urheber der Überwachungsmaßnahmen schnell. In kurzer Zeit wurden auch die anderen Kameras wieder verschwunden – womöglich aus Angst davor, die Technik einzubüßen.
Die „Tanneries 2“ gingen aus der 1998 begonnen Besetzung der ehemaligen Gerbereien am Boulevard de Chicago hervor. Vor sechs Jahren ist das AZ nach langen Verhandlungen in legale Räumlichkeiten weiter südlich umgezogen. „Das Quartier libre des Lentillères“ ist ein etwa 7 Hektar großes Gelände mit mehreren besetzten Häusern und Gärtnerei-Projekten, deren Aneignung vor 13 Jahren begann.
Die Maßnahmen, deren Umsetzung nicht klar zuzuordnen ist, erinnern an die kürzlich in Bremen aufgeflogene Überwachung des Wagenplatzes „Querlenker“. Auch in Leipzig, Hamburg, Berlin und Freiburg flogen ähnliche Observationen auf, die sich gegen zeitweise militante Räume richteten. In Anbetracht von manipulierter Colaflaschen auf Fenstersimsen, dubiosen Appartements in der Nachbarschaft oder Waschräumen auf den Hochhäusern an der Baslerstraße in Freiburg, mangelt es auch den französischen Diensten nicht an Kreativität.
Vor zwei Jahren flogen Kunststoff-Äste und hohle Steinbrocken in Westfrankreich auf, die mit Funk- und Videotechnik versehen wurden, um BesetzerInnen eines Feuchtgebietes auszuforschen. Über Gründe und Folgen dieser langwierigen Überwachung wird nun öffentlich spekuliert. Sicher ist nur, dass in Dijon eine Demonstration unter dem Motto #StopSurveillance für den 18. Februar geplant ist. LS