Wegen der Überwachungsmaßnahmen, denen zwei linke Freiräume in der Burgunder Hauptstadt Dijon ausgesetzt waren, protestierten am Samstag über 300 Menschen. Ein zuvor durch die Präfektur verbotener autonomer Karneval zog von der place Bareuzai durch die Innenstadt. Obwohl Überwachungskameras im öffentlichen Raum übermalt wurden, hielten sich die Einsatzkräfte während der Versammlung zurück.
RednerInnen verurteilten die staatlichen Maßnahmen und zweifelten deren Legalität an. Im Vorfeld hatten Gewerkschaften und Verbände wie die Menschenrechtsliga „LDH“ das fragliche Vorgehen zum Nachteil der NutzerInnen von „Tanneries 2“ und „Lentilleres“ kritisiert. Seit mindestens 2019 erfolgte die Videoüberwachung des Autonomen Zentrums Tanneries und des seit nunmehr 13 Jahren besetzten Viertels „Quartier libre des Lentilleres“. In Metallboxen versteckte Kameras mit Funkvorrichtung lieferten Bilder an Geheimdienst und Polizei. An beiden Orten verkehrten in diesem Zeitraum tausende an Personen aus dutzenden Ländern. Die Überwachung richtete sich gegen die gesamte Breite des linken Spektrums.
Über hundert Menschen wohnen im „Quartier libre“ von Dijon, das ab dem Tag des kleinbäuerlichen Widerstands 2010 aus der schrittweise Besetzung eines Teils des ehemaligen „grünen Gürtels“ der Stadt hervorging. Die Auseinandersetzung um die Verwirklichung der „zweiten Phase“ des angeblichen „Ökoviertels ‚jardin des maraîchers‘“ hält an. Mittlerweile sind mehrere Projekte der Ernährungsautonomie entstanden, besetzte Häusern, experimentelles Wohnen und Kleingärten reihen sich hier aneinander.
Das Autonome Zentrum Tanneries war bereits 1998 in einem verlassenen industriellen Gerbereibetrieb entstanden und musste der ersten Bauphase des Öko-Stadtteils weichen. Seit 2015 hat das AZ eine neue legale Bleibe in der rue des Ateliers am Rand eines Industriegebiets im Süden gefunden. Für das französische Innenministerium gelten die beiden Projekte als Hort der sogenannten „Ultragauche“ des Landes. Wie beim BMI am Moabiter Werder wird auch vonseiten der Place Beauveau in Paris zunehmend von „Ökoterrorismus“ schwadroniert, wenn es darum geht, die radikale Klimabewegung und den Umweltaktivismus allgemein zu kriminalisieren.
Der Fall der beiden Freiräume in Dijon erinnert an Überwachungsmaßnahmen, die in der jüngeren Vergangenheit auch in Deutschland angewendet wurden. Zuletzt traf es den linken Wagenplatz der „Querlenker“ in Bremen. Nicht lang ist es her, dass derartige Maßnahmen unter anderem in Berlin, Leipzig, Hamburg und Freiburg aufflogen. Solche Überwachungsbeispiele, von denen nur die wenigsten einer rechtlichen Prüfung standhalten, häufen sich auch in weiteren Ländern. Die Kameras von Dijon reihen sich in eine lange Liste ein. Auf dem Blog der Initiative „earsandeyes“ sind weltweit fast hundert aufgeflogene Fälle an Video- und Audio-Überwachungsmaßnahmen, sowie Geolokalisierungs-Beispiele gelistet, welche sich allesamt gegen Linke richteten.
LS