Cannes -- viele Filme, wenig Zeit

Cannes -- viele Filme, wenig Zeit

Wie ihr seht, komme ich kaum zum Schreiben. Nachdem das letzte Jahr ein wenig mager war, was gute Filme anging, ist das diesjährige Festival deutlich besser angelaufen. Nachdem der Mittwoch schon recht erfolgreich war, wurde der Donnerstag mein Glückstag. Nachdem ich mit dem neuen Kartensystem zuerst leider keine Karte für Kore-Edas Wettbewerbsbeitrag Umimachi Diary ergattern konnte, bin ich dann durch glückliche Fügung doch noch an eine Einladung gekommen.

Der Tag bekann für mich um 11 Uhr mit Naomi Kawases An, der in der Reihe "Un certain regard" läuft. Hier kann man in der Regel anhand der Wárteschlange ganz gut abschätzen, ob es sich noch lohnt, sich anzustellen, oder ob die Lage hoffnungslos ist. Ich war zeitig da und stand recht weit vorne, so daß ich mir keine Sorgen gemacht habe. Mulmig wurde mir erst, als der Einlaß recht bald stockte und neben uns Journalisten und andere wichtigere Gäste weiter ins Kino strömten. Irgenwann wurde der Balkon geöffnet und immer noch bewegte sich in unserer Schlange nichts. Aber am Ende ging doch alles gut, und ich konnte einen recht guten Platz auf dem Balkon ergattern, von wo ich einen wundervollen FIlm sehen durfte. An zählt für mich bisher zu den Highlights des Festivals. Es geht um Sentaro, einen Verkäufer von Doriyakis (ein japanisches Gebäck, welches mit einer Paste aus roten Bohnen gefüllt wird), einer an Lepra erkrankten älteren Dame und eine Schülerin, welche regelmäßig von Sentaro mit den mißratenen Doriyakis versorgt wird, da ihre Mutter, bei der sie lebt, nur sehr wenig Geld hat. An ist eine poetische Geschichte über Freundschaft und Akzeptanz, so wunderbar leicht erzählt, daß ich ganz beschwingt das Kino verlassen habe.

Anschließend bin ich erstmal wieder in die tiefen Gründe des Marchés abgetaucht und habe mir die spanische Produktion La playa de los ahogados (der englische Titel lautet Death of a fisherman) angesehen. Ein Krimi über eine angespülte Leiche und ein lange zurückliegendes Schwiffsunglück. Der FIlm ist wirklich ein Krimi im klassischen Sinne. Vom Aufbau wohl etwa mit einem Tatort vergleichbar. Aber einem guten! Der FIlm ist spannend erzählt mit einigen interessanten Wendungen. Sollte er es ins deutsche Kino schaffen (was ich eher nicht glaube), ist er durchaus eine Empfehlung.

Jetzt war es für meinen Wettbewerbsbeitrag Umimachy diary schon recht spät und ich habe mich beeilt, zum "Lumière" zu komen, dem großen Kinosaal, in dem hier alle Wettbewerbsfilme gezeigt werden. Die Croisette war abgesperrt wie für eine Galaveranstaltung, dabei war es doch nur ein Nachmittagsfilm. Tagsüber geht es in der Regel viel lockerer zu, und es besteht auch keine Pflicht zur Abendgarderobe. Endlich stand ich in der Schlange. Es waren nicht viele Leute vor mir, aber es bewegte sich erstmal nichts. Jetzt wurde mir zum zweiten Mal an diesem Tag mulmig. Da es Zuschauergruppen gibt, die für diese Filme tagsüber -- im Gegensatz zu mir -- keine Karten benötigen, kann es durchaus vorkommen, daß der Saal irgenwann voll ist, noch bevor alle Leute, die theoretisch noch ein Recht auf Zugang haben, drinnen sind. Aber irgenwann winkte man uns doch durch. Und dann geschah das zweite Wunder an diesem Tag. Statt auf den Balkon, wo wir normalerweise sitzen, und was auch auf meiner Karte stand, wurde ich ins "Orchestre", also unten in den Saal geschickt. Hier sitzt unsereins nur extrem selten. Wow, ich bin begeistert. Schnell gehe ich weiter, bevor irgendjemand es sich noch einmal anders überlegt. Denn diese Maßnahme bedeutet auch, daß der Saal in der Tat schon fast voll ist. Ich finde schnell einen recht guten Platz und darf erstmal in über 10 Jahren Cannes dem Einzug der FIlmcrew vom "Orchestre" aus beiwohnen. Was für ein Erlebnis! Der FIlm ist gut, auch wenn mir im direkten Vergleich Kawases Certain-Regard-Beitrag besser gefällt.

Ich versuche dann später noch, im Miramar, wo die "Semaine de la critique" läuft, den Eröffnungsfilm der Reihe zu schauen, scheitere aber (erwartungsgemäß) und so gibt es einen gemütlichen Abend auf der Dachterrase mit gutem Essen und viel Cidre.