Geschichten aus Cannes

Geschichten aus Cannes

In den vergangenen Jahren haben wir immer zu zweit aus Cannes berichtet, wobei Kollege Alex eine richtige Presseakkreditierung hatte, die ich aus persönlichen Gründen nicht habe. Denn mit der Art von Presseakkreditierung, die wir bekommen können, müssen wir bei den feierlichen Soiréen, den Galaveranstaltungen am Abend, bei denen dann Regisseur und Filmcrew anwesend sind, leider draußen bleiben. Und so ganz ab und zu bin ich dann doch ein bißchen Frau und möchte im Abendkleid über den roten Teppich, die „Marches“ (Stufen), wie man hier sagt, spazieren, mich von allen beneiden lassen und, weit entfernt von jedem Star, oben auf dem Balkon, den Film genießen, wissend, daß unter mir, irgendwo im Dunkel des Saales Ken Loach, Jane Campion oder – wie gestern – Marion Cotillard und die Dardenne-Brüder sitzen.

Leider hat meine Akkreditierung aber den Nachteil, daß ich nicht den Komfort eines Computerraumes habe, wohin ich mich bei kleinen zeitlichen Lücken zwischendurch zurückziehen und euch informieren kann. Leider hat meine Akkreditierung den weiteren Nachteil, daß ich in vielen Filmen längere Wartezeiten habe und nicht bevorzugt hereingelassen werde. All dies führt dazu, wie ihr gemerkt habt, daß zum Schreiben oft die Zeit fehlt. Einen kleinen Eindruck habe ich ja gestern morgen schon Meike geschildert. Aber  bei rund 25 gesehenen Filmen läßt sich in wenigen Minuten am Telefon natürlich auch nicht alles berichten, was man hier so erlebt.

Von dem berüchtigten Skandalfilm um Strauß-Kahn, der hier allerdings nicht einmal im offiziellen Teil lief sondern lediglich im Filmmarkt gezeigt wurde, habe ich hier in der Tat absolut gar nichts mitbekommen. Überhaupt könnte vermutlich irgendwo eine Atomombe hochgehen, der Dritte Weltkrieg ausbrechen oder die Welt untergehen. Wir in Cannes würden dies bestimmt zuletzt mitbekommen. Denn das Festival absorbiert einen vollkommen. Jeden Tag geht es nur darum, von Film zu Film zu eilen, sich in der Warteschlange mit wildfremden Menschen, deren Namen man nie erfährt, über Tops und Flops der vergangenen Tage auszutauschen und Spekulationen darüber anzustellen, ob man wohl noch zu den Glücklichen gehören wird, die es in den Saal hineinschaffen. Cannes ist eine eigene Welt, ein eigener kleiner Kosmos, in den wenig von außen hereindringt. Selbst von dem Skandal um Lars von Trier vor drei Jahren, hatten wir hier vor Ort erst am nächsten Tag erfahren, mehr zufällig und am Rande und dank Internet.