Wiie üblich, ist es kaum zu schaffen, mit der Schreiberei hinterherzukommen, so sehr ist man damit beschäftigt, von einem Film zum nächsten zu hetzen, Blicke auf Stars zu erhaschen und Karten (die hier "Einladungen" heißen) für weitere Wettbewerbsfilme zu erhaschen. Leerlauf hat man in Cannes eher wenig und wenn, dann ist man damit beschäftigt, sich zu überlegen, welche Filme man noch sehen möchte und welche (nach Kritiken von Freunden) doch eher von der Liste gestrichen werden, vor dem Regen zu fliehen (der jetzt gottseidank strahlendem Sonnenschein gewichen ist, auch wenn der Wind immer noch recht stark bläst) oder den Kühlschrank aufzufüllen, den die hungrige Meute, mit der man sich das Appartement teilt, kahlgefressen hat. OK, ich geb's zu, ich bin teil dieser hungrigen Meute, und auch nicht alleine für das Auffüllen zuständig. Aber -- man glaubt es kaum -- manchmal schafft man es tatsächlich in einen Film. So geschehen gestern Abend, als ich mit einer Kollegin in der Soirée des neuen Coen-Films, Inside Llewyn Davis, gewesen bin. Soirée bedeutet Abendgarderobe, das bedeutet frieren im dünnen Kleid, das bedeutet aber auch, daß Regisseure und Filmcrew anwesend sind. Das heißt, wir saßen gemeinsam mit Joel und Ethan Coen, mit Justin Timberlake und Carey Mulligan im Kino. Na gut, die Stars saßen unten im "Orchestre", wie das Parkett auf französisch heißt, und wir saßen oben auf dem Balkon, haben die Stars also wie gewohnt nur auf der Leinwand gesehen, aber ich kann sagen, wir haben dieselbe Luft geatmet! Einen kleinen Höhepunkt hatten wir nach dem Film aber doch noch. Wie das so ist, wenn man zwei Stunden im Kino gesessen hat, plagte uns nach dem Film ein dringendes Bedürfnis. Also machten wir uns auf zu einem dem breiten Publikum eher weniger bekannten Eingang in den Festivalpalais, weil man dort meist recht schnell ins Gebäude hineinkommt, und das Gedränge nicht so groß ist, wie vor den anderen Eingängen. Dort, in einem kleinen, unscheinbaren Gang, der nicht so wirkt, als sei er dem gemeinen Zuschauer überhaupt zugänglich, befinden sich -- das wußte ich von früher -- Toilettenräume. Als wir gerade vor der Tür standen, kam uns eine Gruppe von Personen entgegen, und wir wurden von einem Ordner an den Rand des Flurs gescheucht (nicht, daß hier ein falsches Bild aufkommt, der Ordner war sehr nett und bat uns lediglich, zur Seite zu gehen). Als die Gruppe vorbei war, verriet mir meine Kollegin auch, wer da soeben an uns vorbeispaziert war: Steven Spielberg persönlich! Und ich hatte ihn gar nicht erkannt ...
Doch wie ist es nun, das neuste Machwerk der Coen-Brüder? Ich muß sagen, es hat mir gut gefallen. Sicher, an die Absurdität und den Charme von Fargo kommt so schnell kein Film heran. Aber was man wieder einmal ganz deutlich gesehen hat, ist, daß die Brüder ihr Filmhandwerk meisterhaft verstehen. Bei diesem Werk stimmt wieder einmal alles, Kamera, Schnitt, die Einstellungen. Es ist alles in allem auch ein handwerklich perfekter Film. Und ich finde es erstaunlich, daß so etwas auf einem Festival wie dem hier in Cannes immer noch aufzufallen vermag. Hier, wo sich doch eigentlich der Crème de la Crème der Kinoszene trifft.
Doch worum geht es? Gezeigt werden ein paar Tage im Leben des erfolglosen Musikers Llewyn Davis, der notorisch blank ist, und dem einfach alles zu mißlingen scheint, was er nur anfaßt. Wie üblich bei den Coens wird dabei nicht an skurrilen und bizarren Einlagen gespart, ohne den Film jedoch zur Komödie verkommen zu lassen. Mit präzisem Blick beobachtet die Kamera den Musiker und seine Versuche, irgendwie auf die Beine zu kommen. Wie eine Art Lebenskünstler schlägt er sich durch, doch das Leben scheint sich gegen ihn entschieden zu haben. Er bringt alle seine Freunde gegen sich auf und macht irgendwie immer genau das Falsche. Ob er am Ende auf die Beine kommt, oder nicht, werde ich an dieser Stelle nicht verraten, denn dieser Film ist es auf jeden Fall wert, von euch selber angesehen zu werden.
AP