Clueso auf dem ZMF, 26.7.2024 - von Burkhard Finckh

Clueso auf dem ZMF, 26.7.2024 - von Burkhard Finckh

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Foto: Patrick Amos

Ich kenne die Musik von Clueso seit seinem Hit "Keinen Zentimeter" – das Lied mochte und mag ich sehr. Deutscher  Songtext mit Hintergrund, im wahrsten Sinne des Wortes. Aktuell texte ich in meiner eigenen Band selber auf deutsch und kann dem Song nochmal mehr abgewinnen. Natürlich ist 2008 inzwischen lange her, gefühlt sind Jahrzehnte über die Musiklandschaft hinweggegangen, auch, weil gefühlt alles, was vor Corona, dem Krieg in der Ukraine und jetzt auch noch dem im Gazastreifen passiert ist, ewig zurückliegt, und sich dieses Gefühl für mich zumindest auf alles überträgt.


Seit 2008 habe ich Cluesos Musik nur am Rande verfolgt, einmal, weil er nicht mehr so erfolgreich in den Charts  aufgetaucht war (abgesehen von "Cello", was ja ein Song von Udo Lindenberg ist, und "Zusammen", was wiederum eine Kollaboration mit den Fantas war) und andererseits, weil er mich musikalisch bzw. von den Songtexten her nicht mehr so interessiert hat. 2015 trennte sich Clueso von seiner Band und machte einen Neuanfang. Das änderte nichts am Gesagten, eher blieb der Eindruck, dass er eigentlich eine tolle Band gehabt hatte, die live zu überzeugen wussten. 2021 kam "Album" raus, mit all seinen Single-Auskopplungen, seit seinem letzten Album 2018 nur noch Singles, wie es überall der Trend ist. Der Sound ist elektronischer geworden, glatter.

Nun also Cluseo live mit Band auf dem ZMF - was ist geblieben vom magischen "Keinen Zentimeter"? Das Konzert ist schon lange ausverkauft, Fans hat Clueso viele und treue. Um einen Überblick zu behalten, stehe ich relativ weit oben und hinten auf den Rängen des großen Zirkuszeltes. Es ist unglaublich heiß, beinahe unerträglich und man fragt sich, ob die Ordnerleute die Eingänge zumachen müssen, weil die Menschen außerhalb des Zeltes nicht so viel vom Sound drinnen mitbekommen sollen für umme. Ich weiß nicht, ob Leute mit Hitzschlag umgekippt sind, verwundern würde es mich nicht. Zuerst spielt eine Vorband, vielleicht haben sie sich angekündigt, als ich noch nicht im Zelt war, jedenfalls erfahre ich den Namen nicht. Es sind junge Leute und sie tun ihr Bestes, um die rund 2800 Menschen anzuheizen. Irgendwie bleiben sie für mich namenlos und beeindrucken wenig, sie verschwinden sang- und klanglos, vielleicht dürfen sie auch nicht mehr. Leider versteht man dort, wo ich stehe, so gut wie nichts von den Texten. Das ändert sich auch bei Clueso nicht und damit ist ein Großteil dessen, was Clueso für mich ausmacht, nicht vorhanden. Ich habe schon an anderer Stelle über akustischen Unzulänglichen des großen Zeltes auf dem ZMF geschrieben, jetzt kommt eine weitere Facette hinzu. Da ich am Samstag hier noch einmal bei Jan Delay bin, werde ich auf jeden Fall etwas an meiner Hörposition ändern müssen. Jetzt jedoch den Platz im vollgepackten, wüstenheißen Zelt dahin zu wechseln, wo sicher noch mehr Leute stehen werden, ist für mich und meine Begleitung keine Option. Also wieder einmal (ich berichtete eben vom Auftritt von Gims auf dem Stimmen Festival  Lörrach) die Konzentration auf die Musik, mangels Verständlichkeit der Texte. Was ich mitkriege ist, dass "Keinen Zentimeter" schon als zweites Lied kommt. Pulver verschossen? Vielleicht ist der Song für Clueso auch ein Relikt aus der alten Zeit, mit der alten Band, jetzt ist was anderes dran. Dazu nochmal kurz den Sprung nach draußen gemacht, aktuell gibt es die Single "Für immer jetzt", der Song zu Olympia in Paris. Der Beat ist stumpf 4-to-the-floor und im Hintergrund sind englische Gesänge zum eigentlich deutschen Text zu hören – maximal gefällig und sehr eingängig, poppig eben. Viele Zentimeter, wenn nicht Meter und Kilometer liegen zwischen dem Clueso der Neuzeit und dem Clueso von damals. In einem anderen, recht aktuellen Text singt er davon, dass er seinen Sound hat – und er hat ja irgendwie auch Recht, die Stimme ist unverkennbar und singen kann er richtig gut. Aber die Inhalte sind flacher geworden, die Untiefen sind seichten Platitüden gewichen. Es kann nicht jeder ein Bob Dylan sein, der sich immer wieder neu erfindet und immer wieder tolle Texte schreibt. Aber vielleicht gehört zu so etwas auch, wie sehr man das für sich selbst braucht, wie sehr man ein solches Sich-Neuerfinden sich wünscht, wie sehr man bereit ist, dafür hart an sich zu arbeiten und immer  wieder an seine Grenzen zu gehen – oder auch mit sich und dem zufrieden zu sein, was man bisher erreicht hat.
Aber zurück zur Musik im Zelt, die ist wahrnehmbar. Bei der "neuen" Band von Clueso sind auch drei Blasinstrumente mit von der Partie, Sax, Trompete und Posaune, erstmal prinzipiell interessant. Clueso spielt ab und an selbst Gitarre, dazu kommen noch zwei weitere Gitarristen, eine Bassistin, eine Schlagzeuger und ein Keyboarder. Leider hört man im Lauf des Abends für meine Begriffe zu wenig von den einzelnen MusikerInnen, die sicher ihre Instrumente sehr gut  beherrschen, jedoch alle im Hintergrund bleiben. Wenn es mal ein Solo gibt, dann ist es ein kurzes, und die SolistInnen
brennen in diesen kurzen Momenten auch nicht gerade ein Feuerwerk ab. Die Musik ist halt eher songorientiert und oft auch simpel gehalten, was Harmonien und Rhythmen angeht. Hätte ich mehr vom Abend gehalten, wenn ich mehr von den Texten verstanden hätte? Ich fürchte nicht. Ganz generell kann ich mir aber nur schwer vorstellen, dass die akustische Situtation im Zelt nicht noch verbessert werden könnte mit den Mitteln der heutigen Technik und es ist wirklich schade, dass man weiter hinten textlich so wenig versteht. Nach zwei Stunden ist das Konzert vorbei, dem Publikum scheint es ganz gut gefallen zu haben. Wenn ich allerdings die Stimmung mit der vom Konzert von Cat Empire am Montag, ebenfalls im großen Zelt vergleiche, dann war das alles in allem ein etwas bescheidener Abend, vorsichtig
ausgedrückt.