Vor genau einem Jahr, am 29. Juni 2021 haben die letzten Bundeswehrsoldat*innen Afghanistan verlassen. Die dort eingesetzten afghanischen Ortskräfte sind zum großen Teil noch immer dort und der Gewalt der Taliban ausgeliefert. Über die Lage seiner Mandanten in Afghanistan sagt der Anwalt Matthias Lehnert im Interview mit Pro Asyl: „Ich vertrete zum Beispiel eine Person, dessen Familie bereits kurz vor der Machtübernahme durch die Taliban im Juli zuhause überfallen und misshandelt worden war. Später haben sie meinen Mandaten acht Stunden lang an einen Baum aufgehängt und ihm mehrere Knochen gebrochen. Sie sagten zu ihm, er habe gesündigt, weil er mit den Deutschen zusammengearbeitet hat.“ Von einem anderen Mandanten sagt Lehnert, dass sein Bruder ermordet wurde, weil er den Taliban nicht sagen wollte, wo sich sein Mandant versteckt hält.
Indessen hält auch die neue Bundesregierung an einer engen Definition des Begriffs „Ortskräfte“ fest. Ortskräfte, die gezwungenermaßen als Subunternehmer*innen gearbeitet haben oder die nicht für die Bundeswehr, sondern für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gearbeitet haben, fallen nicht darunter. Bei der Verkündigung der Halbjahresbilanz ihres „Aktionsplan Afghanistan“ am 23. Juni konnte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zwar auf die Ausreise von 12 000 Afghaninnen – ehemalige deutsche Ortskräfte und enge Familienangehörige – verweisen, eine Erweiterung der Definition des Begriffes „Ortskraft“ stellte sie aber nicht in Aussicht.