Die Geister der Vergangenheit - Auf «Nader und Simin» folgt "Le Passé" des Iraners Farhadi

Die Geister der Vergangenheit - Auf «Nader und Simin» folgt "Le Passé" des Iraners Farhadi

Die Geister der Vergangenheit - Nach « Nader und Simin » präsentiert der iranische Regisseur Ansghar Farhadi jetzt « Le Passé « (The Past) im Wettbewerb


Zwei Jahre nach Asghar Farhadis großem Erfolg « Nader und Simin – Eine Trennung », der noch im Iran produziert worden war, wurde sein Nachfolgefilm « Le Passé » (The Past) ins aktuelle Wettbewerbsprogramm aufgenommen. Ich schätze das iranische Kino im Allgemeinen sehr, es hat trotz der Zensur lange Zeit sehr interessante Filme hervorgebracht, bis die Zensurmaßnahmen unter der Ahmadinedschad-Diktatur so verschärft wurden, dass die wichtigsten iranischen Regisseure entweder ihre Arbeit einstellen oder mit ihren Produktionen ins Ausland gehen mussten. So ist auch Farhadis neuer Film in Frankreich entstanden.

Worum geht es ? Ein Mann mittleren Alters, Mahmad, kommt aus dem Iran nach Paris, da seine im Exil lebende Ehefrau Marie sich von ihm scheiden lassen möchte. Er kommt ihrem Wunsch nach, scheint sie zwar immer noch zu lieben, aber respektiert ihre Bitte, um ihren neuen Heiratsabsichten nicht im Wege zu stehen. Ihre Kinder sind nicht die seinen, sie stammen aus vergangenen Beziehungen seiner Gattin. Er wohnt in ihrem Haus, spricht mit den Kindern, begegnet auch ihrem neuen Freund, und merkt, dass Marie mit der Erziehung ihrer Kinder völlig überfordert ist, die Konflikte innerhalb der Familie sind groß, Maries Leben ist ein Chaos. Einerseits will er sich nicht einmischen, andererseits bittet man ihn von verschiedenen Seiten indirekt oder auch explizit um Hilfe, und so beginnt er, mit den Familienangehörigen zu reden. Dies hilft manchmal, stiftet aber auch viel Unruhe, da er bewusst oder zufällig den Finger in tiefe Wunden legt, bis die Gefühle in dem Haus eskalieren und nichts mehr soi st wie zuvor…

Trotz einem kontinuierlichen Interesse am iranischen Filmschaffen bleibt Farhadi ein Regisseur, dessen Werk ich persönlich ehrlich gesagt nicht allzuviel abgewinnen kann. Insbesondere der enorm erfolgreiche « Nader und Simin » erschien mir angesichts der Vielzahl an bemerkenswerten iranischen Filmen, beispielsweise von Mohsen Makhmalbaf, Jafar Panahi und insbesondere Abbas Kiarostami, stets als ein wenig überschätzt, die Nöte der Upper-Class-Familien, die Hysterie und der kontinuierliche Einsatz von langanhaltendem Geschrei in seinen Filmen gehen mir ehrlich gesagt immer etwas auf die Nerven und ich vermisse die Poesie und die Schönheit der Bilder, die andere iranische Regisseure oftmals meisterhaft mit schweren Stoffen oder politischen Themen zu verbinden wissen.
Im Gegensatz zu « Nader und Simin » hat mich aber « Le Passé » durchaus berührt, das Geschrei und der allwissende, etwas nervtötende männliche « Macho-Detektiv » sind zwar auch wieder dabei, aber unterm Strich erzählt das neue Werk eine interessantere Geschichte und erschien mir tiefgründiger und vielschichtiger. Auch wenn das Bedürfnis, der Story immer neue Wendungen zu geben, doch ein wenig am Schreibtisch konstruiert erscheint und den Regeln klassischer Kriminalplots folgen mag, habe ich den Film interessiert verfolgt, die Figuren sind lebendig und überzeugend, der Einsatz der französischen Schauspielerin Berenice Bejo mitten in dem iranischen Cast funktioniert gut, die Konflikte innerhalb der in Frankreich lebenden Exilfamilie sind mit humorvollen Momenten gepaart, die kriminologische Auflösung ist manchmal etwas überzogen, aber durchaus raffiniert aufgebaut und unterhaltsam.

Alexander Sancho-Rauschel