Proteste in Belarus und die Wahrnehmung in westlichen Medien: "Du kannst nicht 90% der Bevölkerung Opposition nennen!"

"Du kannst nicht 90% der Bevölkerung Opposition nennen!"

756px-2020_Belarusian_protests,_Minsk,_18_October_p06.jpg

Proteste am 18. Oktober 2020. Minsk, Belarus (Weißrussland)
Proteste am 18. Oktober 2020. Minsk, Belarus (Weißrussland)
Lizenz: 
CC Attribution, Non-Commercial, Share Alike
Quelle: 
Wikimedia (Homoatrox)

Seit Anfang August gibt es ununterbrochen riesige Proteste und Streiks und in Belarus. Grund dafür war das amtlichen Wahlergebnis, wonach Amtsinhaber Alexander Lukaschenko die Präsidentschaftswahl mit Abstand gewonnen habe. Ihm wird Wahlfälschung vorgeworfen. Die Protestbewegung fordert seinen Rücktritt, die Freilasssung aller politischer Gefangenen, das Ende der Gewalt und der staatlichen Repression sowie demokratische Neuwahlen. Jede Woche seit mehr als zwei Monaten finden die Sonntagsprotestmärsche mit bis zu mehr als hunderttausend Teilnehmer*innen statt.

Gegen Protestierende setzen die Behörden Wasserwerfer und Blendgranaten ein. Am 12. Oktober gab das Innenministerium die Freigabe des Schusswaffengebrauchs für die Polizei bei Demonstrationen bekannt und begründete dies mit einer angeblichen Radikalisierung des Protests. Im Zusammenhang mit den Protesten wurden bisher mindestens sechs Menschen getötet: Unbewaffnete Demonstrierende werden von der Polizei gezielt oder "versehentlich" erschossen. Manchmal gibt es mehr als 700 Festnahmen bei den Protesten. Diese gehen unvermindert weiter. Anfang Oktober waren allen ausländischen Journalist*innen ihre Presseakkreditierungen entzogen worden.

Inzwischen hatte sich Lukaschenko überraschend mit der Opposition im Gefängnis zu Gesprächen über die Verfassung getroffen – und das, obwohl er bislang jeden Dialog mit Oppositionellen abgelehnt hatte. Jedoch ist von der Begegnung ist nur wenig bekannt geworden. Die Medien sind sich uneinig darüber, ob dieses Treffen nun als Eingeständnis, als Zeichen der Schwäche oder aber ganz anders interpretiert werden muß. Swetlana Tichanowskaja, die als einer der Köpfe zum Symbol der Protestbewegung wurde und sich nach ihrer Abschiebung derzeit im Exil in Litauen befindet, wertet diese Verfassungsreform als ein Propagandainstrument, mit dem Lukaschenko einen Dialog lediglich vortäuschen wolle.

Letzte Woche hatte Tichanowskaja dem amtierenden Präsidenten Lukaschenko ein Ultimatum gestellt: Wenn dieser nicht bis zum 25. Oktober zurücktrete, die Gewalt auf den Straßen einstelle und alle politischen Gefangenen freilasse, beginne am 26. Oktober ein landesweiter Generalstreik. Das berichtet die taz. Gleichzeitig hatte Tichanowskaja noch einmal betont, dass der Protest in ihrem Land gewaltfrei bleiben werde.

Mikhail Katliar ist Doktorand an der Uni Freiburg und war im Sommer selbst einige Tage im Gefängnis. Er erzählt von Menschen in seinem Umfeld, die ebenfalls von staatlicher Repression betroffen sind...

IN ENGLISH HERE.