Stadtverwaltung Freiburg versus Romabüro: Eklat um Roma/Sinti-Diskriminierungsbericht im Migrationsausschuss

Eklat um Roma/Sinti-Diskriminierungsbericht im Migrationsausschuss

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Roma/ Sinti Diskriminierungsbericht 2020

In der Sitzung des Migrationsausschusses am 23. 09. kam es zu heftigen Auseinandersetzungen um den Roma/Sinti-Diskriminierungsbericht bzw. die Form, in der die Stadtverwaltung das Thema anging.

Der Roma/Sinti-Diskriminierungsbericht über das Jahr 2020 (RDL berichtete) wurde vom Romabüro in Kooperation mit dem Sinti Verein Freiburg herausgegeben. Ein interfraktioneller Antrag hatte dafür gesorgt, dass der Diskriminierungsbericht und der Umgang der Stadtverwaltung mit dessen Ergebnissen auch in der Sitzung der Gemeinderatsausschüsse für Migration und Schule am 23. 09. behandelt wurde. Coralla Reinhardt vom Sinti Verein und Tomas Wald vom Romabüro waren als Mitherausgeber*innen bei der Sitzung anwesend.

Zwischen Stadtverwaltung und Romabüro war allerdings  seit Veröffentlichung des Berichts ein Konflikt entstanden, da die Stadt die Korrektheit mehrerer Schilderungen zu diskriminierenden Erfahrungen mit ebendieser Verwaltung - insbesondere dem Amt für Migration und Integration - bestritten hatte und zugleich eine öffentliche Auseinandersetzung über die strittigen Themen bisher abgelehnt hatte.

Vor diesem Hintergrund wählte die Stadtverwaltung nun den Weg, den ehemaligen Direktor des Insitituts für Volkskunde an der Uni Freiburg, Prof. Max Matter, mit einer Stellungnahme zum Diskriminierungsbericht zu beauftragen und Matter in die Ausschussitzung einzuladen, wo er seine Stellungnahme zum Auftakt des Tagesordnungspunktes vortrug.

Somit wurde dem Diskriminierungsbericht einerseits das Kritierum der Wissenschaftlichkeit aufgebürdet, die die Herausgeber*innen nicht für sich reklamiert hatten. Matter beschränkte sich andererseits nicht rein wissenschaftlich auf Erwägungen zum Begriff der Diskriminierung sowie zu Bedeutung und Funktion subjektiver Wahrnehmungen (von Diskriminierung), sondern beklagte seiner Ansicht nach beleidigende Ausdrücke im Bericht wie "weiße Mittelschicht" und behauptete, der Diskriminierungsbericht betreibe Selbstausschluss, Identitätspolitik und sei nicht zielführend. Matters Vortrag vom 'Podium' dauerte knapp 29 Minuten. 28:39

Anschließend räumte Sitzungsleiter Ulrich von Kirchbach dem Vertreter des Romabüros Tomas Wald 5-10 Minuten Redezeit ein, die dieser von seinem Platz hinten unter der Treppe zur Empore aus nutzen sollte. Dies provozierte einen hitzigen Wortwechsel zwischen Kirchbach und Wald, währenddessen Irene Vogel von der Fraktion Eine Stadt für Alle auf die Ungleichbehandlung hinwies.2:34

Tomas Wald sprach schließlich vom Podium aus, allerdings ohne einen Sitzplatz und ein eigenes Mikrophon zur Verfügung gestellt zu bekommen. Er drückte seine Betroffenheit aus und erklärte die Bedeutung des Diskriminerungsberichts aus seiner Sicht als Empowerment gerade für junge Sinti*zze und Rom*nja.12:08

Während Walds Rede zeigten sich mehrere Gremiumsmitglieder demonstrativ genervt bis ausfällig. In der folgenden Debatte wurde dann jedoch vorwiegend die Vorgangsweise der Stadt kritisiert. Hier einige der Redebeiträge der Reihenfolge der Äußerungen nach.

Der Sachverständige im Migrationsausschuss Albert Scherr forderte längerfristige Strategien:2:40

Scharfe Kritik an Matters Gutachten wie am Vorgehen der Stadt übte Jan Otto (Grüne):4:19

Felix Beuter (Eine Stadt für Alle) zeigte sich verwundert über die Praxis solcher de facto Gegengutachten zu Dokumenten aus dem Gemeinderat, die ihm neu sei - auch andere Vorlagen, wie z.B. die der Stadtverwaltung zur Sicherheitspartnerschaft, hätten solch eine kritische wissenschaftliche Analyse verdient:3:14

Coralla Reinhardt vom Sinti Verein Freiburg wies darauf hin, dass sie sich vom Vorgehen in dieser Sitzung selbst diskriminiert fühle. Der Diskussion um "subjektive" vs. "objektive" Diskriminierung hielt sie eine Reihe anschaulicher Beispiele aus den alltäglichen Erfahrungen Freiburger Sinti entgegen.3:22

Die Leiterin des Amts für Migration und Integration (AMI) rechtfertigte sich gegen Vorwürfe aus dem Diskriminierungsbericht über schlechte Erfahrungen mit der Ausländerbehörde. Außerdem nannte sie Zahlen: Unter den Staatsangehörigen der "Westbalkanstaaten", von denen viele Roma sind, haben noch 440 Personen nur eine Duldung, also keinen gesicherten Aufenthaltsstatus.

Max Matter drückte abschließend sein Bedauern über etwaige Missverständnisse aus, um gleich nochmals zu einem Gegenangriff auszuholen. 1:27

Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach schloss den Tagesordnungspunkt mit einem vagen Hinweis auf das weitere Vorgehen ab. 1:23

Nach der Ausschussdebatte nahm Tomas Wald im Interview mit RDL Stellung zu dem Geschehen: 5:19