Lobbyisten der Atom- und Kohle-Konzerne unterwandern den Windenergie-Verband BWE

Lobbyisten der Atom- und Kohle-Konzerne unterwandern den Windenergie-Verband BWE

Im Bundesverband Windenergie (BWE) zeichnet sich laut Insider-Quellen ein erbitterter Machtkampf im Vorstand ab. Es geht um die Entscheidung, ob der Verband sich von der dezentralen Energie-Wende abwendet, die hauptsächlich auf BürgerInnen-Engagement und auf die Initiative von Energie-Genossenschaften baut, und sich den Profit-Interessen großer Konzerne aus dem atomaren und fossilen Spektrum unterwirft.

Auffällig war schon in den vergangenen Jahren, daß im Branchen-Magazin des BWE, 'Neue Energie', kaum Kritik am Umstieg von der Einspeisevergütung nach dem ursprünglichen Konzept des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hin zu Ausschreibungen zu lesen war. Stattdessen wurde die Bundesregierung häufig für eine nicht vorhandene Klimaschutz-Politik gelobt (Siehe hierzu unsere Artikel v. 8.10.19 und v. 9.11.19).

Der Umstieg zu Ausschreibungen bei der Förderung von Anlagen der erneuerbaren Energien führte ab 2017 - wie von Branchen-KennerInnen vorhergesagt - zu einem Rückgang des Zubaus von Windkraft-Anlagen onshore in Deutschland von 4,8 Gigawatt auf nur noch 1 Gigawatt im Jahr 2019. Und wie leicht vorherzusehen führte dies im Interesse der großen Konzerne dazu, daß Bürgerenergien von der Teilnahme nahezu völlig ausgeschlossen wurden. Hinzu kommt, daß die als Begründung für die Umstellung genannte Kostensenkung gar nicht zustande kam. Im Gegenteil hätten eine Fortführung der jährlich degressiven EEG-Einspeisetarife bei neuen Windkraft-Projekten gegenüber den realen Zuschlägen der Windkraft-Ausschreibungen des Jahres 2019, die alle ganz nahe am zugelassenen Höchstpreis von 6,2 Cent pro Kilowattstunde lagen, zu niedrigeren Vergütungen geführt. Und nach dem Vorbild Sigmar Gabriels, der mit ähnlich brachialen Eingriffen schon 2014 innerhalb weniger Monate die Zerstörung von über 30.000 Arbeitsplätze im Bereich der Windkraft- und Solar-Branche feiern konnte, erreichte sein Amts-Nachfolger, Peter Altmeier, den Abbau von weiteren tausenden Arbeitsplätzen in der Windkraft- und Solar-Branche und die Insolvenz zuvor prosperierender Firmen.

Dennoch fordert der Bundesverband Windenergie (BWE), der bedeutendste Branchenvertreter für Windkraft in Deutschland, kein Zurück zu der mehr als zehn Jahre erfolgreichen Einspeisevergütung im EEG. Der Grund, warum der BWE den Umstieg zu Ausschreibungen akzeptiert, liegt offenbar darin, daß maßgebliche Mitglieder des BWE-Vorstands im Profit-Interesse großer Konzerne aus dem atomaren und fossilen Spektrum agieren.

Aus der vorangegangenen Sitzung des BWE-Vorstands wurde bekannt, daß der weltweite Primus der Windkraft-Branche, Vestas, zusammen mit anderen BWE-Mitgliedern den Antrag stellte, daß der BWE aus dem internationalen Verband World Wind Energy Association (WWEA) und dem Europäischen Verband European Renewable Energy Federation (EREF) austreten und stattdessen auf globaler Ebene nur noch Mitglied beim Global Wind Energy Council (GWEC) sein solle. Die Antragsteller waren als einzelne Unternehmen bereits allesamt Mitglieder des GWEC. Und Vestas hat mit seinem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Morten Dyrholm auch das Amt des GWEC-Präsidenten besetzt.

In der Begründung für den beantragten Wechsel wird das Motiv des damit verfolgten Richtungskampfes deutlich: WWEA und auch EREF setzen sich für Bürgerenergien und feste Einspeisevergütungen ein. So hatte die WWEA etwa ein Gutachten erstellen lassen, das starke Investitions-Einbrüche in der Windbranche weltweit nach der Umstellung auf Ausschreibungen belegte.

Einer der Väter des EEG, der frühere Bundestagsabgeordnete, Hans-Josef Fell, weist darauf hin, daß Vestas und einige weitere Unternehmen der Erneuerbaren-Energien-Branche eng mit der fossilen und atomaren Wirtschaft zusammenarbeiten. Dies zeige sich bei einem Blick auf die Mitglieder des Global Wind Energy Council (GWEC). Wie der Internet-Seite des GWEC zu entnehmen ist, sind die Mitglieder dieses internationalen Verbandes in Kategorien aufgeteilt - gestaffelt nach ihrer finanziellen Unterstützung des GWEC. Dabei stellen die "C0 corporate members" die Mitglieder erster Klasse dar - an prominenter Stelle der Shell-Konzern.

Der niederländische Öl- und Erdgasmulti Shell bemüht sich schon seit vielen Jahren, ein Engagement für erneuerbare Energien herauszustreichen. So rühmte sich der Konzern schon im Jahr 2004 eines Umsatzes von Shell Solar in Höhe von 292 Millionen US-Dollar. Nur Wenige, die solche Zahlen lesen, bemühen sich darum, Vergleichszahlen zu erfahren. Tatsächlich wies Shell im Jahr 2004 einen Gesamtumsatz von 269 Milliarden US-Dollar aus. Der Umsatzanteil von Shell Solar lag mit 292 Millionen US-Dollar also nur bei 0,11 Prozent. Auch in Zukunft setzt Shell weiter massiv auf fossile Energieträger. Für die kommenden 10 Jahren plant Shell Investitionen in der Höhe von 300 Milliarden US-Dollar in fossile Energieprojekte.

Weiter entdeckte Hans-Josef Fell in der ersten Riege der GWEC-Mitglieder EDP Renewables, einen Tochter-Konzern des größten portugiesischen Energieversorgers Energias de Portugal (EDP) - gleichzeitig einer der größten Energieversorger Europas. Außer in Portugal ist die EDP auch in Spanien, Frankreich, Belgien, Polen, Rumänien, USA und Brasilien präsent.

Als ehemaliger Staatskonzern ist EDP an allen Formen der Energie-Produktion beteiligt, neben erneuerbaren Energien zählen dazu auch Kohle, Erdgas und Atomenergie. Auch der norwegische Energieriese Equinor rangiert bei GWEC unter den C0-Mitglieder. Obwohl auch Equinor eine Windenergiesparte besitzt, besteht auch hier das Kerngeschäft weiter im Bereich der Öl- und Erdgasgewinnung. Auch der spanische Mischkonzern Acciona ist keinesfalls nur am Ausbau der Windenergie interessiert, sondern vor allem stark im Bereich Verkehr, Transport und Infrastruktur, die nach wie vor zum Großteil eng mit der fossilen Industrie verbunden sind.

Bei Vestas ist es interessant, sich die Aufträge anzuschauen, die das Unternehmen in den vergangenen Jahren akquiriert hat. Hierzu gehört etwa die Lieferung von Turbinen an einen Offshore-Windpark in den Niederlanden, an dem Shell beteiligt ist (2017). Auch mit dem französischen fossil-atomaren Energiemulti Engie hat Vestas einen Liefervertrag für Turbinen in Brasilien geschlossen (2019). Ebenfalls 2019 erhielt Vestas in Griechenland einen Auftrag vom spanischen Stromproduzenten Iberdrola. Neben dem Betrieb der fünf spanischen Atomkraftwerke setzt Iberdrola auch auf Erdgas und findet sich mit seiner Erneuerbaren-Energien-Sparte zudem als Co-Mitglied im Verzeichnis der GWEC-Mitglieder. Vestas konnte sich Ende 2019 noch einen weiteren Großauftrag sichern: den Bau von drei Windenergie-Projekten in Rußland. In diesem Fall kam der Auftrag vom finnischen Energiekonzern Fortum, der maßgeblich im Bereich der Atomenergie aktiv ist und dem russischen Quasi-Staatsunternehmen RUSNANO.

Im Überblick ergibt sich das Bild, daß sich eine große Zahl von Energie-Konzernen aus dem atomaren und fossilen Spektrum kleine Erneuerbare-Energien-Töchter leistet und so maßgeblichen Einfluß auf weltweite Groß-Projekte von Wind- und Solar-Parks gewinnen konnte. Daß diese Konzerne dennoch kein Interesse an der Energie-Wende weg von fossilen und atomaren Kraftwerken und hin zu einer Versorgung mit 100 Prozent erneuerbaren Energien haben, liegt laut Hans-Josef Fell auf der Hand. Und schon vor fünfzehn Jahren warnte der im Jahr 2010 verstorbene Pinonier der erneuerbaren Energien, Hermann Scheer, davor, daß der Kampf der etablierten Energiewirtschaft gegen die erneuerbaren Energien dann seinen Höhepunkt erreichen wird, wenn diese die atomaren und fossilen Energien nicht nur partiell ergänzen, sondern beginnen, diese real abzulösen. Die dezentrale Energie-Wende mit ihrer breiten Beteiligung von Kommunen und AnwohnerInnen bei gleichzeitigem Verbleib der Wertschöpfungskette vor Ort, widerspricht fundamental den Profit-Interessen großer Konzerne.

Bei der Betrachtung des Machtkampfes innerhalb des BWE kommt Hans-Josef Fell zu der Erkenntnis: Es geht um die Frage, ob der BWE als Windverband mit bisherigem Fokus auf die Vielfalt kleiner, mittlerer und lokaler Akteure und einen zügigen Übergang zu 100 Prozent erneuerbare Energien diese Ziele auch international mit und durch die WWEA weiter vertritt. Oder, ob der BWE sich hinsichtlich dieser Ziele zukünftig vom GWEC bremsen läßt. Fell ruft daher dazu auf, diejenigen im BWE zu stützen, die sich weiterhin konsequent und glaubwürdig für den Ausbau der Bürgerenergien und des regionalen Nutzens einsetzen.