Nach einem drei Wochen andauernden und von den Medien intensiv begleiteten Prozess hat das Geschworenengericht in Minneapolis Derek Chauvin, den Polizisten der am 25. Mai 2020 den vierzigjährigen Afroamerikaner George Floyd umgebracht hat, in allen drei Anklagepunkten (Mord zweiten Grades ohne Vorsatz, Mord dritten Grades und Totschlag zweiten Grades) schuldig gesprochen.
In Minneapolis sind in den letzten Wochen in Vorbereitung dieser Urteilssprechung über 3000 Soldaten der National Guard (zweite Instanz der militärischen Reserve der USA) eingetroffen. Verschiedenste temporäre Infrastrukturen wie Betonbarrieren, Maschendrahtzäune und Stacheldrähte wurden in der Stadt errichtet; Aktivist*innen sprechen von einer regelrechten Besatzung der Stadt.
Dass trotz dieses Urteils die endlose Serie rassistischer Polizeimorde in den USA nicht stoppen wird, scheint für die Aktivist*innen klar. Charakteristisch für diese Dynamik ist gerade die Ermordung des zwanzigjährigen Daunte Wrights in einer Vorstadt Minneapolis' durch eine Polizistin vor zwei Wochen. Kim Potter, die angeklagte Polizistin, gibt zu diesem Vorfall an, ihre Schusswaffe mit ihrem Taser verwechselt zu haben.
In einem Instagrampost schreibt die deutsche Antirassistin Tupoka Ogette ernüchtert, dass die Verurteilung eines Polizisten nur dann möglich ist, wenn sich tausende Menschen die Strasse nehmen, so wie es letztes Jahr bei den Black Lives Matter-Protesten in Minneapolis der Fall gewesen ist:
„Ich bin im Konflikt mit mir selbst. Ich möchte mich freuen oder zumindest erleichtert sein. Ich möchte ein Gewicht von meinen und vor allem den Schultern meiner Geschwister fallen hören. Ich möchte tief ein- und ausatmen und kurz loslassen. Für George, für Tamir, für Sandra. Gleichzeitig bin ich trotzig, denn dieses Urteil ist das bare Minimum. Es sagt: Wenn die Welt zuschaut, wie Schwarze Menschen ermordet werden, wenn weltweit tausende auf die Strassen gehen und dieses System mit aller Gewalt an unsere Menschlichkeit erinnert, dann und nur dann werden wir ein wenig Verantwortung dafür übernehmen. That's not justice, folks."
Nach dem Mord an Georg Floyd war die Black Lives Matter-Bewegung in Minneapolis tatsächlich besonders aktiv und hat nicht zuletzt im Rahmen einer Demo ein Polizeirevier in Brand gesetzt.
Gemäss des US-amerikanischen anarchistischen Crimethinc Kollektiv muss die Verurteilung Derek Chauvin's auch als ein Versuch des US-amerikanischen Justizsystems gelesen werden, sein öffentliches Images zu rehabilitieren. Dabei soll mensch aber nicht vergessen, dass Gerichte, Gefängnisse und die Polizei fundamental rassistische Institutionen sind, die besonders durch kollektive Selbstverteidigung sowie neue Formen von sozialen Beziehungen und Strukturen
bekämpft werden können. So haben Aktivist*innen die Kreuzung der 38th Street und der Chicago Avenue, an der Derek Chauvin George Floyd ermordete und die daraufhin zum Epizentrum der Black Lives Matter-Bewegung geworden ist, in „George Floyd Square" umbenannt.
Blick in die Schweiz: Am 31. März 2021 hat das Bezirksgericht Waadt-Ost den Polizisten, der vor vier Jahren den schwarzen Hervé Bondembe Mandundu getötet hat, für unschuldig erklärt. Dem Polizisten, der inzwischen befördert wurde, wurden 35'000 Franken zugesprochen.
Antira-Wochenschau: https://antira.org/2021/04/26/floyd-moerder-schuldig-fastenbrechen-verhindert-aargauer-polizei-unbefugt/