Im April 2018 überfielen Gianluca B. und Nordulf H. im thüringischen Fretterode zwei Journalisten. Sie hatten vor Ort zu einer Veranstaltung im dortigen Gutshaus vom thüringer NPD-Chef Thorsten Heise recherchiert. Gianluca B. und Nordulf H. waren bewaffnet aus dem Gebäude gestürmt. Nach einer Verfolgungsjagd wurde das Auto der Journalisten zum Stehen gebracht. Die beiden Täter zerstörten die Scheiben des Autos, zerstachen alle vier Reifen, versprühten Reizgas ins Wageninnere. Ein Journalist erlitt beim Schlag von Gianluca B. mit einem langen Schraubenschlüssel eine Schädelfraktur. Der zweite Journalist wurde mit einem Messer am Oberschenkel verletzt. Am Donnerstag den 15. September fiel nun das extrem milde Urteil: Der 28-Jährige Gianluca B. wurde zu einem Jahr auf Bewährung, der 23 Jahre alte Nordulf H. zu 200 Arbeitsstunden verurteilt, wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten für Gianluca B. und eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung, für Nordulf H. gefordert.
In der Urteilsbegründung erklärte die Richterin laut der Initiative NSU-Watch, zu Gunsten der Angeklagten sei die "Vorverurteilung in den Medien" gewertet worden. Als strafmildernd wurde vom Gericht den Tätern offensichtlich zu Gute gehalten, dass sie nicht hätten erkennen können, dass es sich um Pressevertreter handelte.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di spricht von einem „skandalöses Urteil“. Es sei „ein Schlag ins Gesicht“ für alle Kolleg*innen, „die sich mit ihren Recherchen zum Rechtsextremismus Tag für Tag großen Gefahren für Gesundheit und Leben aussetzen.“ Das Urteil sei ein fatales Signal an die rechtsextreme Szene, dass diese ihren menschen- und demokratiefeindlichen Bestrebungen nachgehen könne, ohne dafür ernsthafte strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Nebenklageanwalt Sven Adam erklärte: „Aus einer gewollten
und mittels Hetzjagd umgesetzten No-Go-Area für politische Gegner und Fachjournalisten in Fretterode wird seitens des Gerichts eine emotionale Reaktion auf vermeintliche und in keinem zeitlichen Zusammenhang stehende und nicht in der Beweisaufnahme erörterte Aktionen von Antifaschistinnen und Antifaschisten in Fretterode gemacht. Die letzte Busfahrt von Antifaschistinnen und Antifaschisten nach Fretterode zur öffentlichkeitswirksamen Kritik an dem Neonazi-Zentrum ist 20 Jahre her. Weitere Ereignisse, die eine Bedrohungslage des Hauses Heise hätte begründen können, hat die Beweisaufnahme nicht erbracht. Die mündliche Urteilsbegründung ist geprägt von viel und nicht mehr erklärbarem Verständnis für die Gedankenwelt gewalttätiger Neonazis." so Adam weiter. Nun bleibt eine Woche Zeit, Revision gegen das Urteil einzulegen. (TS)