Neustart des AKW Neckarwestheim ungeachtet des Risikos

Neustart des AKW Neckarwestheim ungeachtet des Risikos

Der baden-württembergische Strom-Konzern und AKW-Betreiber EnBW hat am heutigen Donnerstag mit Erlaubnis der "grün-schwarzen" Landesregierung das AKW Neckarwestheim wieder hochgefahren. Wegen den seit 2017 immer wieder neu auftretenden Rissen besteht ein erhöhtes Risiko eines Super-GAU. Hinzu kommt, daß in den vergangenen Tagen weitgehend abgebrannte Brennelemente umgruppiert wurden und mit einem "Streckbetrieb" zusätzliche Risiken eingegangen werden.

Laut EnBW können mit dem nun neu angeordneten Reaktorkern aus abgebrannten Brennelementen noch "bis zu 1,7 Milliarden Kilowattstunden" erzeugt werden. Das entspricht ungefähr dem Stromverbrauch von zehn Tagen in Baden-Württemberg. Es ist damit zu rechen, daß in den kommenden Wochen eine weitere AKW-Laufzeitverlängerung verkündet wird und zu diesem Zweck auch neue Brennelemente – früher oder später – zum Einsatz kommen werden.

Das Umgruppieren der Brennelemente war offenbar sehr aufwendig. EnBW berichtet von 200 externen Fachkräften, die dafür engagiert wurden. Angeblich erhält EnBW keinen staatlichen Ausgleich für die zusätzlichen Kosten, darf aber den vollen Gewinn einstreichen. EnBW bestätigte, daß sie die Kosten trägt, machte zu deren Höhe aber auch auf Nachfrage keine Angaben.

Der Termin für das Wiederhochfahren von Reaktor II war zunächst vom 18.01. auf den 21.01. verschoben, und danach wieder auf den 19.01. vorgezogen worden. Da mit einem Reaktorkern, der aus weitgehend abgebrannten und jetzt umgruppierten Brennelementen besteht, keine Betriebserfahrung vorliegt und das AKW nicht für ein Anfahren mit bereits überfälligen Brennelementen vorgesehen ist, will EnBW das Wiederhochfahren auf über vier Tage dehnen. Erreicht werden soll dann am Montag, 23. Januar, eine Restleistung von 850 Megawatt (MW), was 64 Prozent der regulären Leistung entspricht.

Der 'Bund der Bürgerinitiativen Mittlerer Neckar' (BBMN) kommentiert: "Dieses extrem langsame Hochfahren ist Ausdruck dessen, daß man sich mit den notdürftig umkonfigurierten gebrauchten Brennelementen auf unbekanntem Gebiet bewegt und mit unerwartetem Verhalten der Anlage gerechnet werden muß. Mit noch geringerer Restleistung wäre ein Anfahren vermutlich gar nicht mehr möglich."

Bereits im regulären Betrieb ist das Ausbalancieren von Druck und Temperatur im Primärkreis heikel, erst recht bei atypischen Betriebsverhältnissen. Hinzu kommt, daß durch Verschleiß und Riß-Korrosion der Dampferzeuger die Sicherheitsreserven im Primärkreis aufgebraucht sind. Das wird auch durch langsames Hochfahren des Reaktors nicht besser.

Nach Recht und Gesetz hätte die Atomaufsicht die Einhaltung aller Regeln ergebnisoffen und neutral überprüfen müssen, bevor sie die Erlaubnis zum Wiederanfahren des AKW gegeben hat. Daß dies offensichtlich nicht geschah, wirft die Frage auf: Ist die sogenannte Umwelt-Ministerin Thekla Walker, der die Atomaufsicht untersteht, unfähig oder korrupt? Auf jeden Fall tragen sowohl Ministerin Thekla Walker als auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die dieses AKW immer wieder als "sicher" deklariert haben, die volle Verantwortung.

Der BBMN weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Landesregierung es auch unterließ, vor dem Wiederanfahren eine erneute Kontrolle der zunehmenden Riß-Bildung in den Dampferzeugern anzuordnen. Als sachlich mangelhaft kritisiert der BBMN die Stellungnahme des TÜV vom 8.12.22: "Mit dieser Stellungnahme hat der TÜV alle Bedenken über einen Weiterbetrieb des unbestritten beschädigten AKWs nach dem 1.01.23 hinweggewischt. Eine genauere Betrachtung des TÜV-Papiers zeigt jedoch die Strategie: Man konzentrierte sich auf den Nebenaspekt, ob sich das Wachstum der gefährlichen Risse durch den 3-wöchigen Stillstand beschleunigen könnte. Viel wichtigere Fragen, insbesondere ob das Hochfahren des Reaktors mit atypischer Beladung zu besonderer Belastung der korrodierten Rohre führen kann, wurden dagegen vernachlässigt. Warum wohl? Diese TÜV-Stellungnahme reiht sich in eine Serie gutachterlicher Fehlleistungen des TÜV ein, die wir schon aus den Jahresrevisionen kennen."

Der Weiterbetrieb des AKW bricht offensichtlich mit elementaren Sicherheitsregeln. Die Außerkraftsetzung der zugehörigen gesetzlichen Regeln im Herbst durch Bundesregierung und Bundestag, um die AKW-Laufzeitverlängerung über den 31.12.22 zu gestatten, verletzt die Pflicht zur Vorlage einer periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ). Die PSÜ ist nun seit mehr als 3 Jahren überfällig.

Der BBMN kommt zum Fazit: "Die Verantwortung für das fahrlässige Wiederhochfahren des AKW Neckarwestheim tragen EnBW, Ministerin Walker und Ministerpräsident Kretschmann. Das Risiko tragen wir alle."

Folgen eines Super-GAU im AKW Neckarwestheim
- Grafik: Berlin ausradiert
- Grafik: Freiburg ausradiert