Update: Aktuelles Interview mit dem Vertreter der Nebenklage Jens Janssen.
Donnerstag, 10:30 Uhr Urteilsverkundung der 1. gossen Strafkammer in Saal 4. Salzstr.17
Wenigstens eine Übereinstimmung gab es bei allen Verfahrensbeteiligten um die Ereignisse am 1.10.2011 als der bekennende Nazi Florian St. in eine Gruppe von Antifaschisten mit Vollgas im 1. Gang fuhr: die Notwehrlage die dem Nazi zu billigbar sei .
Egal ob Staatsanwaltschaft, Nebenklage oder Pflichtverteidigung – alle meinten , dass wenn 30 Meter entfernt fünf junge Antifas, die z.T . zum Selbstschutz Masken übergezogen hatten,sich in Bewegung setzten, dann konnte für den Ortenauer Nazi St. der Eindruck einer Notwehrsituation entstehen. Für Juristen mag dies wohl selbstverständlich sein. Für juristische Laien ist es eher überraschend wann denn, bei solchen Abständen, die „Gegenwärtigkeit“ eines „Angriffs“ oder die unmittelbar bevorstehende „Rechtsgutverletzung“ z. B der Willensfreiheit des Nazi St.s ernstlich losgehen soll?
Gleichwohl sah die Staatsanwaltschaft, Dr. Rink, auch nach der Hauptverhandlung es als bewiesen an, das das Hineinfahren in die Gruppe deshalb ein versuchter Totschlag war, weil dem Nazi Florian St. bewusst war bzw. sein konnte, das sein Auto bei Vollgas-Beschleunigen im 1. Gang und 25 und 30 km/h tödliche Verletzungen möglich machen würde. Da ihm zudem mehrere Handlungsmöglichkeiten zur Abwehr ihm vermeintlich drohender Gefahren in seiner Lauerposition im Auto offenstanden, war seine "Verteidigungshandlung " nicht "geeignet". U.a. konnte St. zu einem anderen Punkt des Parkplatz zu fahren oder zu einer zweiten Ausfahrt oder bei der gleichen Ausfahrt rechts statt links herum.
Stattdessen setzte er aber – so im polizeilichen Notruf - darauf, die springen schon irgendwie beiseite, wenn er in Sie - halb linksherum aus der Ausfahrt - mitten hinein fährt.
Dr. Rink sah wie die Nebenklage auch keine Anknüpfungspunkte nach der Hauptverhandlung für die Annahme eines Notwehrexzess, der eben mehr voraussetzt als eine gewisse normale Nervosität oder Aufgeregtheit in einer Situation oder auch einen entschuldigenden Notstand. Während die Staatsanwaltschaft dem Nazi Stech keine direkte Tötungsabsicht nachgewiesen sah, verstand dies die Nebenklage angesichts seiner Nazikarriere und der unmittelbar vor der versuchten Tötungshandlung in Riegel am 1.10. 11. Facebook-Erörterung von verschiedenen Notwehrdarstellungsmöglichkeiten mit Nazikumpeln dies für hinreichend gesichert und gegeben an. Um dies gegebenfalls zu unterstreichen, wurde zur Glaubwürdigkeit dieses Diskurses von Jens Janssen und Angela Furmaniak verschiedene Hilfsbeweisanträge gestellt.
Buchstäblich makaber geriet das Plädoyer des Pflichtverteidigers Ulf Köpke.
Köpke hatte seine Verteidigungsstrategie ganz auf das Schweigen des Nazi-Mandanten St. gerichtet, der sich nicht zur Sache äussern sollte. Dumm nur, daß dieser nicht nur
auf dem polizeilichen Notruf am 1.10.11, sondern auch bei seiner polizeilichen Einvernahme mit seiner NSU-Verteidigerin Nicole Schneiders am 12.10.11 jedoch bereits Tatversionen von sich gegeben hatte.Für seinen Nazimandanten Florian St. hatte sich Köpke bereits am ersten Prozesstag zum Sprachrohr einer Erklärung zur Person gemacht, in der er klassisch nationalsozialistische Stereotype -“glücklicher Bauernstand“ und seine „durch EU-Bürokratie“ gehinderte berufliche Karriere für Stech aus dessen Verlautbarung verlas.
Während St. gerade am letzten Verhandlungstag am Montag, 9.7.12 in einer Verhandlungspause seiner Anti-Antifatätigkeit mittels Handyfotos munter nachging, versuchte RA Ulf Köpke die Abbildung seines Nazi-Mandaten St. per sitzungspolizeilicher Anweisung auch ausserhalb der Hauptverhandlung durch die Vorsitzende herbeizuführen, während Jung-Anwältin Gröbmeyer es gleichfalls erfolglos durch polizeiliche Beschlagnahme zu erreichen suchte.
Während der Beweisaufnahme bestand Köpkes wesentliches Bemühen darin, Zweifel an übereinstimmenden tatsächlichen Aussagen und Sachverhalten bis hin hin zur Mutmassung von Nebel am Tattag zu erzeugen.
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Da hatte zwar der Nazimandant unstrittig eingeräumt, an den sog. westlichen Ausgang vorgerückt zu sein. Wo metergenau dies aber war dem Pflichtverteidiger gleichwohl eine völlige sachverhaltsmässig offene, ungeklärte vorallem aber wesentliche Zweifel erweckende Frage. Obwohl so oder so dem Stech verschiedene Handlungsmöglichkeiten verblieben waren.
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Da scheut dann der Pflichtverteidiger selbst nicht mal vor der Verdrehung von Tatsachen zurück: während seinem Nazimandant bis zur Schwerverletzung von Alexander in den 4 Sekunden keine Tötungsabsicht in den Sinn gekommen sein darf (!!), ist selbstverständlich den Antifas – trotz 2 Sekunden Handlungsmöglichkeit (als nämlich Stech beim Links-Ausbiegen aus der Ausfahrt des Parkplatz direkt auf sie zufuhr.Während Köpke aber fälschlich meint 4 Sekunden ab Umlegen des Zündschlüssel durch Stech anführen zu dürfen), das Ihr Beiseitespringen jedenfalls – ganz sachverständig „bewiesen“ – zumutbar war!!! (Motto: hier kommt der Herrenmensch oder was???) Plus, das selbst von ihm innerhalb von 2 Sekunden für möglich erachtete Wandern von Reizgasflaschen, um dem Stech dann die Scheibe zu zerdeppern!!!!
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Bei allen legitimen Versuchen Zweifel an den Tatsachen zu Gunsten seines Nazi-Mandanten zu streuen, schien jedoch Pflichtverteidiger Ulf Köpke im Plädoyers zunehmend jedes Mass zu verlieren. Bei seinen Schilderungen meint man für Augenblicke, nicht den jungen Antifaschisten Alexander schwerverletzt und krampfend auf der Strasse nach Hecklingen liegen zu sehen. Stattdessen möchte mensch glauben, Köpkes Nazi-Mandat muss in völliger Auflösung schwerverletzt auf der Strasse buchstäblich vor Nervosität am Zerfliessen gewesen und dort zum liegen gekommen sein. (Bekanntlich raste St. aber zu dem Dienstmercedes des Staatsschutz der Kripo Emmendingen und wurde dort vom Zeugen H. mit seinem Treiben ("Mordversuch") konfrontiert.
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So dramatisch und eindrücklich versucht der Pflichtverteidiger Köpke die Einsamkeit und Verlorenheit – des allerdings per handy mit Nazikumpeln verbundenen- Stech zu schildern. Ein notorischer Nazi, der entgegen allen vorhergehenden Tun und Reden nur an Flucht denkt. Ein in aussichtsloser Lage handelnden Nazi – das wirklich wahre Opfer – wird einer atemlosen Prozessöffentlichkeit insinuiert. Im Vertrauen, das die meisten an der vorherigen Hauptverhandlungstagen nicht teilgenommen haben??
Da gerät es dann allerdings zu einem dummen ja zynischen Stilbruch der Präsentation, dass der Pflichtverteidiger - in der rechtlichen Würdigung - dann ganz auf die Stufe seines Mandanten begibt, in dem er seinen „legitimen“ Verteidigungswillen im Rahmen der Notwehr ihm als einzig taugliches Verteidigungsmittel sein Auto zubilligt!!!Blick von Autobahnzufahrtsbrücke auf Stechs Lauerpositon und links die Strasse nach Hecklingen-sein Tatort Foto:RDL/kmm
Wogegen? Dreissig Meter entfernte Hänflinge? Vollgas mitTötungsmöglichkeit in die Menge als einzige legitime Verteidigungsmöglichkeit?
Macht Pflichtverteidigung so zynisch? Kann wirklich alles zur Nazimandantschaft bei dem Pflichtverteidiger ausgeblendet werden? Wenn Köpke wirklich putative Notwehrlagen künftig nur mittels „Vollgas und durch“ bekämpft sehen will – als höchste Stufe legitimen Verteidigungswillen – mag das zwar viele Mandanten bescheren – aber hier gerät legitime Verteidigung zum menschenverachtenden Zynismus!
Kein Wunder, dass der früher so gesprächige Nazi Florian Stech sich nur noch seines Verteidigers Forderung nach Freispruch anzuschliessen brauchte !!!
Das Urteil wird am 12.7.12 um 10 Uhr 30 verkündet
kmm
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