Prozessauftakt im Fall erstickter Flüchtlinge in Ungarn

Prozessauftakt im Fall erstickter Flüchtlinge in Ungarn

Heute beginnt im ungarischen Kecskemét [sprich: Ketschkemet] der Prozess gegen insgesamt 11 Personen, die für das Ersticken von 71 Flüchtlingen in einem LKW im August 2015 verantwortlich sein sollen. Der LKW war vor rund 2 Jahren in Österreich auf der Autobahn erst entdeckt und geöffnet worden, als alle Im Laderaum eingeschlossenen Personen bereits tot waren.

Angeklagt sind neben den Fahrern des LKW beziehungsweise eines Begleitfahrzeugs auch mindestens zwei Hintermänner der Gruppe. Sie sollen die Fahrer rekrutiert und die Fahrten organisiert haben. Neben der Mordanklage gibt es im Prozess auch Anklagen wegen Schlepperei und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Nach möglichen weiteren Beteiligten in Serbien wird nach wie vor gefahndet.

Die von Ungarn aus arbeitende Gruppe soll laut Anklage zuvor bereits 23 Mal Menschen über die serbisch-ungarische Grenze und weiter nach Österreich bzw. Deutschland organisiert haben. Dabei waren sowohl die deutschen und österreichischen sowie die ungarischen Behörden auf die Gruppe aufmerksam geworden.

Ungarische ErmittlerInnen hatten daraufhin eine Telefonüberwachung der Beteiligten angeordnet, aber bei weiteren Fahrten nicht eingegriffen. Bereits zuvor sei es zu Luftnot in den Transportern gekommen, berichteten befragte Flüchtlinge aus früheren Fahrten, bei denen Fahrer festgenommen wurden. Man habe, so die ungarischen Behörden, keine Hinweise auf „menschliche Leben gefährdende Transporte gehabt“, so die Staatsanwaltschaft in Kecskemét. Dabei sind in den Ermittlungsakten durchaus Hinweise auf Luftknappheit bei früheren Fahrten zu finden, wie JournalistInnen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR feststellten.

Von den ungarischen Behörden, aber auch von den österreichischen und deutschen, gab es bislang keine Auskunft darüber, ob mit diesen Erkenntnissen das Leben der 71 Flüchtlinge hätte gerettet werden können. Der Tod der Menschen und die Bilder des Kühllasters auf der Autobahn wurden im Sommer 2015 zum Symbol für die Brutalität der europäischen Grenzen.