Zum Anlass des 75. Jahrestags des Sieges über Nazi-Deutschland wurde viel über die große Rolle und Opfer "Russlands" und der "russischen Soldaten" gesprochen. Dabei ist es nicht nur politisch inkorrekt von Russland statt Sowjetunion und von "russischen" statt von "sowjetischen" Soldaten zu sprechen, sondern verschließt den Blick auf das Wesen der Sowjetunion als Vielvölkerreich und der Roten Armee als einer multiethnischen Armee. In ihren Reihen kämpften neben Iwans und Wassilijs auch Aslambeks, Mojsches, Mykolas, Wachtangs und viele viele andere Nichtrussen. Während auf Seiten der Westalliierten bis zu einem Viertel der Soldaten aus den Kolonien stammten, bestand die Rote Armee sogar zu etwa einem Drittel aus nichtrussischen Sowjetbürgern. Wenn man sie alle zu Russen reduziert, übersieht man all die besonderen Schicksale, die diese Völker im Krieg trafen. So waren die Juden in der Sowjetunion nicht nur Opfer des Holokausts, sondern auch Rächer der Getöteten: Über 300 rote Generäle waren Juden oder hatten jüdische Wurzeln und über 170 Juden erhielten die höchste sowjetische Auszeichnung "Held der Sowjetunion". In Belarus fielen neben Juden auch viele Belarussen dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer: Mehrere Tausend Dörfer wurden von der Wehrmacht vollständig vernichtet, am Ende des Krieges war die Bevölkerung des Landes um ein Drittel geschrumpft. Und tschetschenische, inguschische und krim-tatarische Rotarmisten riskierten ihr Leben an der Front, nur um bei Rückkehr in ihre Dörfer und Städte festzustellen, dass ihre Völker 1944 als angebliche Kollaborateure nach Zentralasien deportiert worden waren.
Musik: Yiddish Glory und sowjetische Lieder der Kriegszeit.