deutsch-dänisches Ermittlerteam im Einsatz: Rezension: Tod in den Fluten von Anette Hinrichs

Rezension: Tod in den Fluten von Anette Hinrichs

Rezension: Nordlicht – Tod in den Fluten von Anette Hinrichs

Verlag Blanvalet 2023

von: Hardy Vollmer, Radio Dreyeckland

Die erste Leiche wird im Glücksburger Gebiet angeschwemmt. Die zweite Leiche wird zwanzig Jahre später an der dänischen Küste gefunden. Schnell stellt sich heraus, dass es sich bei dieser um die deutsche Saskia Niekamp handelt. Sie wurde eine Woche zuvor bei einem Unwetter in der Flensburger Bucht von Bord eines Seglers gespült mit dem bezeichnenden Ausruf: „Mann über Bord“. Würgemale am Hals zeigen aber auch, dass nicht das Unwetter für den Tod verantwortlich war. Es wurde nachgeholfen.  Eine ermordete deutsche Leich auf dänischem Gebiet bedeutet aber auch: Einsatz für die deutsch-dänische Sondereinheit unter Leitung von Rasmus Nyborg und Vibeke Boysen. Erfahrene Leserinnen und Leser der Romane von Anette Hinrichs wissen schon, das war bisher keine einfache Kooperation und so bleibt es auch in dem neuen Krimi: Tod in den Fluten. 

Besonders der dänische Kommissar Rasmus hat mit seiner deutschen Kolleginnen so seine Probleme:“  Dieser ganze zwischenmenschliche Kram lag ihm nicht. Vor allem Frauen waren manchmal so verdammt kompliziert. Immer wenn man dachte, man wüßte wie sie ticken, bewiesen sie einem das Gegenteil und Vibeke Boysen war in dieser Hinsicht ein ganz besonderes Exemplar“.

Dabei kennen wir die deutsche Kommissarin als energisch korrekte Person. Objektiv bleiben und Distanz wahren sind ihre Leitlinien. Aber wir wissen auch, dass sie dies nicht immer einhalten kann und dann mit ihrem Verhalten hadert. Im neuen Roman von Annette Hinrich fürchtet sich Vibeke Boysen vor einer Zusammenarbeit mit Rasmus und denkt daran, aus Flensburg weg zu gehen. Keine guten Voraussetzungen, um den Fall  der erwürgten Wasserleiche Saskia Niekamp zu lösen. 

Und der Fall ist nicht einfach. Die Zahl der Verdächtigen von Anfang an hoch. Saskia Niemann war einer der Topmanagerinnen einer der exklusivsten deutsch-dänischen Banken. Mindestkapital für das eröffnen eines Konto: 500000€. Auf dieser Bank lagen die Fundamente des norddeutschen Industrie und Finanzkapital und Saskia Niekamp betreute die Konten. Der Tatort war eine bekannte Jacht auf der der Bankvorstand mit ausgewählten Kunden die nächsten Geschäfte besprachen. Wer von den Schiffahrtseignern, dem unvermeidlich immer verdächtigen Bauunternehmer, dem Marineoffizier, oder der dänischen Seglerlegende, hat ein Interesse an Saskias Tod und wo lag das Motiv? Hat sie verdächtige Kontobewegungen entdeckt, oder war selbst in krumme Geschäfte verwickelt. Wer zahlte ihre Miete für eine der teuersten Wohnung in ganz Flensburg? Aber auch die Recherche der Kommissare im Kolleginnen und Kollegenkreis zeigt schnell, dass es etliche Neider  von Saskia Niekamp gab und manche wünschten, dass sie bald von ihrer Position verschwinden würde. Die Ermittlungen im Milieu der dänischen und Flensburger Großbourgeoisie erweisen sich naturgemäß als äußerst zäh. Sieht es zunächst danach aus, das man im Bereich der Wirtschaftskriminalität wühlt, wird die Sache noch verkompliziert, als sich herausstellt das die Tote schwanger war und keinerlei Hinweis auf eine aktuelle Beziehung im Leben der Saskia Niekamp gibt. War die verfolgte Spur in das Milieu der Finanzwelt eine Sackgasse? Ging es nur um private Probleme? Wollte da jemand eine heimliche Beziehung brutal beenden? Fragen über Fragen und die Ermittlergruppe ist an einem toten Punkt. 

An dieser Stelle erinnern sich die Leserin und der Leser an den Beginn des Romans. Was war eigentlich mit der ersten Leiche? Wo ist der Bezug zum aktuellen Fall? Gut, dass es noch den Stiefvater von Vibeke Boysen gibt. Just in diesen Tagen wird der Stellvertreter der Flensburger Mordkommission in den Ruhestand entlassen. Und wie eifrige Leserinnen und Leser von Kriminalromanen wissen, hat jeder Renterkommissar noch einen Cold Case an der Backe. Einen Fall, den er nicht gelöst hat. Und hier kommt die erste Leiche ins Spiel. Es war sein erster Fall und bis heute weiß niemand, wer die Tote ist, geschweige denn, wer ihr Mörder war. Aber Vibekes Stiefvater hat alles fein säuberlich dokumentiert und tatsächlich findet man in dem alten Fall Spuren, die zum neuen Fall führen und die Ermittlungen nehmen wieder Fahrt auf. Aber wird diese neue Spur auch zu dem oder den Tätern führen?

Anette Hinrichs hat wie gewohnt in routinierter Art ein komplizierte Geschichte entwickelt, die viele mögliche Handlungsstränge eröffnet. Dabei ist dieser Möglichkeitsraum durchaus realistisch. Es ist nicht so, wie in vielen Kriminalfilmen, wo falsche Spuren gelegt werden, aber die Zuschauenden wissen sofort, dass das alles Unsinn ist und unmöglich etwas mit dem Fall zu tun haben kann. Bei Anette Hinrichs ist das anders. Aus jedem erzählten Handlungsstrang, an dem sich die Ermittler abarbeiten, könnte logisch die Krimihandlung weiterentwickelt werden. Die Romanhandlung hätte also eine ganz andere Richtung annehmen können und die Lesenden hätten gesagt, ok, auch das ist eine nachvollziehbare Geschichte. Das lässt auf einen großen Ideenfundus bei der Autorin schließen.  Wir können also hoffen, dass dies nicht der letzte Roman aus der erfolgreichen Nordlicht-Reihe bleibt.