Während die Taliban dabei sind, eine Regierung zu bilden, häufen sich die Berichte über eine tiefe Spaltung in den Reihen der Gotteskrieger. Grob stehen sich zwei Gruppen gegenüber. Da ist einmal das sogenannte Haqqani-Netzwerk. Das Haqqani-Netzwerk steht dem pakistanischen Geheimdienst nahe und beherrscht sogar die kleine Provinz Waziristan in Pakistan. Mittlerweile kontrolliert das Haqqani-Netzwerk auch Kabul. Dem steht eine von Pakistan unabhängige afghanische Fraktion in Kandahar gegenüber. Die Kandaharis waren es auch, die mit Trump den Abzugsplan für die Amerikaner in Katar ausgehandelt haben. Selbst wenn sich die beiden Fraktionen auf eine gemeinsame Regierung einigen, kann es noch zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen. Für einen Bürgerkrieg haben die USA ja auch unfreiwillig den Taliban genügend Waffen und Munition zurückgelassen.
Bewaffnete Auseinandersetzungen drohen ohnehin in kleinerem Umfang mit anderen Gruppen. Nachdem 14 Mitglieder der schiitischen Minderheit der Hazara von den Taliban liquidiert wurden, droht ein Aufstand der Hazara. Die Hazara sind mit 5 bis 10 Millionen Menschen nach Paschtun*innen und Tadschik*innen die drittgrößte Ethnie in Afghanistan. Die sunnitischen Taliban sehen sie als Ungläubige an. Außerdem haben sich Reste der alten Regierung im Pandjschir-Tal verschanzt. Ein erster Versuch der Taliban ins Pandjschir-Tal einzudringen ist offenbar fehlgeschlagen. Schließlich gibt es auch die Konkurrenz mit dem Islamischen Staat in Khorasan. Insbesondere radikale Taliban neigten in der Vergangenheit dazu, zum Islamischen Staat überzulaufen, wenn die eigene Führung nicht radikal genug erschien.