Wegen Verjährung hat ein Gericht in Istanbul die Verfahren gegen den ehemaligen Chef des Nachrichtendienstes der Polizei, Sabri Uzun, den ehemaligen Polizeichef von Istanbul, Celalettin Cerah, den ehemaligen Polizeichef von Trabzon Resat Altay und einen weiteren Polizisten eingestellt. Grund für das gegen sie sehr schleppend mit bürokratischen Hürden eingeleiteten Verfahren war ihre Verwicklung in den Mord an dem armenischen Journalisten Hrant Dink. Hrant Dink wurde am 19. Januar 2007 vor der Türe der von ihm geleiteten türkisch-armenischen Zeitung Agos von einem nationalistischen Jugendlichen hinterrücks erschossen. Vorausgegangen war eine offensichtlich vom Generalstab orchestrierte Medienkampagne gegen Hrant Dink. Ihm wurden aus dem Zusammenhang gerissene Zitate vorgehalten, die schließlich zu einer Verurteilung wegen "Beleidigung des Türkentums" führten. Der Armenier Hrant Dink war der erste Mensch der nach diesem Paragraphen in seiner neuen Fassung verurteilt wurde. Kurz nach dem Mord kam heraus, dass Polizei und Geheimdienst bereits 11 Monate vor dem Attentat von den Vorbereitungen dazu unter anderem durch einen V-Mann bestens unterrichtet waren, aber nichts zum Schutz von Hrant unternahmen. Nach seiner Festnahme wurde der mittlerweile verurteilte Mörder auf der Polizeiwache wie ein Held gefeiert.
Der Mord führte zu großem Aufsehen und der damalige Staatspräsident Abdullah Gül rief die Familie an und versprach volle Aufklärung. Die Spur führte zu einer großen Verschwörerorganisation mit dem Namen Ergenekon. Hunderte Menschen wurden festgenommen. Mittlerweile steht fest, dass es die angebliche Organisation Ergenekon nie gegeben hat und dass sie nur erfunden wurde, um einen Vorwand zu schaffen um potentielle oder wirkliche Gegner von Tayyip Erdogan und des damals noch mit ihm verbündeten Sektenführers Fethullah Gülen einzusperren oder einzuschüchtern. Erdogan behauptet heute, er sei in dieser Sache von den Gülen-Leuten getäuscht worden.
Nicht so rasch wie gegen Ergenekon gingen die Ermittlungen gegen die Polizisten voran und die Einstellung des Verfahrens wird wenige überraschen.
Hrant Dink hat sehr unter den gegen ihn erhobenen Vorwürfen gelitten. Berühmt wurde sein letzter Artikel, der noch nicht gedruckt war, als er erschossen wurde. In ihm vergleicht er sich mit einer ängstlichen Taube, die sich ständig gejagt fühlt. Aber im Grunde wisse er, dass seine Mitbürger*innen den Tauben nichts tun. Hrant Dink wurde unter großer Anteilnahme vorallem seiner jüngeren Mitbürger*innen beigesetzt, aber kein Vertreter des Staates erwies dem türkischen Bürger armenischer Herkunft die letzte Ehre.
jk