Vertuschungs-Skandal: Deckel des Reaktordruckbehälters des AKW Obrigheim in die USA verschoben

Vertuschungs-Skandal: Deckel des Reaktordruckbehälters des AKW Obrigheim in die USA verschoben

Unserer Redaktion liegen Informationen vor, nach denen der radioaktiv kontaminierte Deckel des Reaktordruckbehälters des baden-württembergischen AKW Obrigheim klammheimlich in die USA verschoben wurde. Die Öffentlichkeit geht nach wie vor davon aus, daß der im Jahr 2016 in Stücke zersägte und in Kisten verpackte Reaktordruckbehälter in einem Gebäude auf dem Areal des stillgelegten AKW Obrigheim lagert.

Das AKW Obrigheim wurde im Jahr 2005 erst nach einer Laufzeit von 37 Jahren stillgelegt. Nach wie vor sind keine Informationen erhältlich, ob der Reaktordruckbehälter des AKW Obrigheim auf Risse und Versprödung untersucht werden soll. Nach offiziellen Angaben wurde der "Rückbau" der AKW-Ruine im Herbst 2008 begonnen. Bis Ende August 2015 wurde nach Angaben von EnBW der rund 135 Tonnen schwere Reaktordruckbehälter in den Zerlegebereich des Reaktorgebäudes transportiert.

Am 27. Juli 2016 veröffentlichte der baden-württembergische Strom-Konzern und AKW-Betreiber EnBW in einer Pressemitteilung, daß "die Zerlegung des Reaktordruckbehälters abgeschlossen" sei. Wegen der starken Strahlung mußte der sieben Meter hohe und knapp vier Metern Durchmesser umfassende Koloss unter Wasser zersägt werden. Nach öffentlich zugänglichen Informationen wurde auch der Deckel des Reaktordruckbehälters in Stücke zersägt und dessen Teile sowie die Teile des Reaktordruckbehälters in Kisten verpackt.

Nun liegt uns die Information vor, daß der Deckel des Reaktordruckbehälters im Auftrag von EnBW zu einer "Fachfirma" in die USA transportiert wurde. Es handelt sich um eine Firma mit Expertise zum Einschmelzen kontaminierter Metalle. Weder vom Bundesumweltministerium noch vom baden-württembergischen Minister Franz Untersteller, der für die Atomaufsicht zuständig ist, konnte bis Donnerstag, 24. September, eine Stellungnahme eingeholt werden. Uns wurde beschieden, wir müßten die Frage, wo sich der Deckel des Reaktordruckbehälters derzeit befindet, schriftlich einreichen.

Mittlerweile liegt eine schriftliche Stellungnahme von EnBW vor. Darin räumt Bettina Meyer-Kirchner, EnBW-Pressesprecherin ein, der Deckel des Reaktordruckbehälters des AKW Obrigheim sei zur "schadlosen Verwertung" an eine Firma in den USA geliefert worden. Dies sei im Auftrag von EnBW erfolgt und dabei seien alle geltenden Vorschriften eingehalten worden. Von Seiten der politisch "Verantwortlichen" heißt es zwar immer, es sei sichergestellt, daß kein Atommüll ins Ausland gelangen könne. Möglicher Weise aber wird EnBW dennoch straffrei davonkommen, denn die gesetzlichen Vorschriften enthalten die üblichen scheunentorgroßen Hintertüren. So kann geltend gemacht werden, es handele sich gar nicht um Atommüll, sondern um Wertstoffe - wie etwa im Falle des Atommülls aus der UAA Gronau, der über Monate hin mit etlichen Transporten nach Rußland verschoben wurde und wobei abgereichertes Uran mit Duldung der Bundesregierung zu "Wertstoff" umdeklariert wurde.

Schon 2013 wurden skandalöse Pläne aufgedeckt, Atommüll aus Baden-Württemberg ins Ausland zu verschieben. Damals ging es darum, deutschen Atommüll im großen Stil nach Rußland zu exportieren. Verlockend für EnBW waren in diesem Fall die wachsweichen russischen Umwelt-Standards und die damit verbundene Kosteneinsparung. Aus internen EnBW-Unterlagen geht hervor, daß der Strom-Konzern und AKW-Betreiber danach strebte, die "Kostenunterschiede" zu nutzen, "die sich aus den unterschiedlichen Regulierungsvorschriften" zwischen Deutschland und Rußland ergeben. Schon in den damaligen EnBW-Unterlagen ist zu lesen, der Rückbau des stillgelegten AKW Obrigheim könne "optimiert werden durch langfristige Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen und Endlagerung in einem international zugänglichen Lager". Und auch damals wußten die politisch "Verantwortlichen" nachweislich Bescheid.

Das Verschwinden des Reaktor-Deckels von Obrigheim hat jedoch noch eine weitere Dimension: Schon seit dem Zersägen des gesamten Reaktordruckbehälters vor vier Jahren besteht der Verdacht, daß es um die Vernichtung von Beweismitteln geht. Obwohl die Anti-AKW-Bewegung und der BUND Baden-Württemberg nach der Stilllegung des AKW Obrigheim eine Untersuchung des Reaktordruckbehälters auf Versprödung und auf Risse gefordert hatten, wird dies von der baden-württembergischen "grün-schwarzen" Landesregierung bis heute ignoriert.

Wenn Versprödung und Risse nachgewiesen werden können, müssen die sechs deutschen Atomkraftwerke sofort stillgelegt werden. Der weitere Betrieb spült den Betreibern aber rund eine Million Euro pro Tag und pro Reaktor an Profit in die Kassen.