Etwa 120 demonstrieren für eine solidarische, dezentrale und kommunale Unterbringung von Geflüchteten

Etwa 120 demonstrieren für eine solidarische, dezentrale und kommunale Unterbringung von Geflüchteten

Mahnwache vor der LEA in Freiburg

Mahnwache vor der LEA in Freiburg
Mahnwache vor der LEA in Freiburg
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JR Photography

Am 6.2.21 fanden sich vor der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in der Freiburger Lörracher Str. rund 120 Menschen ein, um eine Mahnwache in Solidarität mit den Bewohner:innen der Sammelunterkunft abzuhalten. Aufgerufen hatte der antirassistische Zusammenschluss "LEA-Watch" zu der Versammlung.

Zentrale Themen der Mahnwache waren die aktuelle Situation in der LEA sowie die kommende Evaluation der Lager durch die Stadt Freiburg. Der Vertrag mit dem Land Baden-Württemberg sei Ergebnis einer rechten Politik, so Walter Schlecht von Aktion Bleiberecht in seiner Rede. Daran anknüpfend wurde die Forderung nach einer solidarischen, dezentralen und kommunalen Unterbringung von Geflüchteten gestellt. Freiburg zeige sich solidarisch im Umgang mit Geflüchteten. Diese Solidarität solle sich ebenfalls in der Unterbringung der Schutzsuchenden widerspiegeln.

Die Mahnwache begann mit einer Rede B.s., eines Bewohners aus dem Senegal. In seiner in französisch gehaltenen und danach ins Englische übersetzten Ansprache sprach er über die Situation in der Sammelstelle. Trotz den gesetzlichen Vorgaben lebe er schon länger als ein einhalb Jahre in der Sammelstelle. B. sprach weiter von der Ungerechtigkeit die er aus der Politik und Verwaltung wahrnehme. Manche würden nach kürzerer Zeit in kleinere Unterkünfte transferiert, weil in den Ländern, aus denen sie geflohen sind Krieg herrschten. Andere, die aufgrund ähnlicher Umstände geflohen sind lebten jedoch länger als sogar zwei Jahre in der Sammelunterkunft. 5:59

Als zweites sprach Emannuel aus Ghana. Er begann seine Ansprache damit, dass die Einstufung Ghanas und Senegals als sichere Länder auf die Situation 1994 beziehe. 2020 hätte es im Zuge der Parlamentswahlen in Ghana jedoch 8 Tote gegeben, Verhaftungen und Folter gegenüber Oppisitionellen. Emannuel sei geflohen, weil er politisch verfolgt worden sei. Diese Verfolgung sollte er bei seiner Ankunft in Heidelberg beweisen, was jedoch unmöglich gewesen sei. Weiter sprach er darüber, dass er wie viele andere Bewohner:innen in den Sammellagern gezwungener Maßen nutzlos vor sich hin vegetiere. Er würde stattdessen aber gerne Deutsch lernen, eine Ausbildung machen und ein produktiver Teil der Gesellschaft werden. Für die deutsche/europäische Regierung hätte eine Arbeitserlaubnis für Refugees den Vorteil, da die sie Steuern zahlen würden und die Kosten für Lebensmittel und Unterkunft selbst tragen könnten. Für Geflüchtete hätte es den Vorteil, dass sie nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer nicht vor dem Nichts stehen würden. So wie jetzt ist würden viele Rückkehrer:innen in den Suizid getrieben werden. 4:49

Die dritte Rede hielt Walter Schlecht und verurteilte wie eingangs erwähnt die aktuelle Politik, die auf Ausgrenzung und Entrechtung abziele, anstatt auf Solidarität und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Es sei nicht notwendig Menschen in Massenunterkünften bis zu 1000 Personen unterzubringen. Dass sie sich ihre kleinen Zimmer zu mehrt teilen müssen und sie diese nicht individuell einrichten dürften sei ebenfalls unnötig. Die Menschen dürften außerdem nicht selber kochen. Die Bewohner:innen der LEA würden bei jedem Ein- und Ausgang kontrolliert und teilweise auch durchsucht. Mit den vielen Regularien würde in die Selbstbestimmung der Schutzsuchenden eingegriffen. Hygienische Standards und der Schutz vor Infektionskrankheiten sei in den Massenunterkünften nicht gegeben. Die Bewohner:innen der Sammelunterkunft seien von der Sozialhilfe ausgegrenzt, weil sie ausschließlich Sachleistungen bekämen. Außerdem würden sie für 80 Cent die Stunde zur Arbeit gezwungen. Die regelmäßigen Zimmerdurchsuchungen stellten Eingriffe auf Persönlichkeitsrechte und der Unverletzlichkeit der Wohnung dar. Diese ganzen Eingriffe in die Grundrechte der Menschen seien alle nicht notwendig, folgert Walter Schlecht. Es herrsche keine Notlage, die diesen Eingriffe begründen würden.

Zur Evaluation der LEA schildert Walter Schlecht, die Stadt Freiburg würde wie aussieht an dem Deal mit dem Land festhalten und sich von einer kommunalen Aufnahme verabrschieden. Für ihn sei eine gesellschaftlich verankerte, solidarische Geflüchtetenaufnahme essentiell. Deswegen sei es notwendig mit weiteren Protesten Druck aufzubauen, um zu zeigen, dass Freiburg eine flüchtlingssolidarische Stadt sei, die sich entgegen der rechter Tendenzen für eine dezentrale und kommunale Unterbringung stark mache. 9:45

Zentrale Punkten der Rede Walter Schlechts wurden ins Englische übersetzt. 3:36

Anschließend wurde das Mikrofon für Betroffene freigegeben, um ihre Erfahrungen in der LEA darstellen zu können. Eine Person nahm das Angebot wahr und schilderte das Gefühl von Unfreiheit, das durch die Fremdbestimmung der Essen, bis daher rührt, dass den Bewohner:innen verboten werde sich mit anderen zu treffen, oder eine Familie zu gründen. 2:24

In der Audio, die daraufhin abgespielt wurde schildert ein weiterer Bewohner der LEA seine Perspektive. Die Zimmer seien unsicher, da sie diese nicht abschließen könnten. Bewohner:innen würden bestohlen. 6:33

Am Schluss entschied sich ein Refugee dazu spontan eine Rede zu halten. Diese hielt er in italienisch und eine Anwesende Demonstrantin übersetzte das Wichtigste ins Deutsche. Der Redner sprach davon, dass er nach Deutschland gekommen sei um sein Leben neu anzufangen. Er wolle lernen, arbeiten und in Sicherheit leben. Bei ihm würde es wie bei anderen nicht darum gehen, dass sie hergekommen seien, um Drogen zu verkaufen. Sie seien jung und wollen etwas schaffen und auch kreativ tätig sein. Es ginge nicht darum nur Geld zu verdienen. 14:43

In der Abmoderation der Versammlung forderte die LEA-Watch-Aktivistin dazu auf sich bei der Evaluation solidarisch zu zeigen und den rechten Tendenzen entgegenzustellen, die darauf abzielten den Deal zwischen Stadt und Land bestehen zu lassen. Es wurde außerdem auf eine Broschüre hingewiesen, die in Arbeit sei, in der Bewohner:innen der LEA ihre Texte beisteuern könnten. Die Broschüre werde nach Fertigstellung dem Gemeinderat überreicht. Des Weiteren soll es am 24. April eine Großdemonstration geben und die Aktivistin betonte, dass es wichtig sei, dass viele Menschen zu dieser kommen. 2:51

Gegen 16:20 endete die Mahnwache vor der Landesaufnahmeeinrichtung.