Bundesregierung scheitert daran, afghanische Ortskräfte trotz Vormarsch der Taliban zurückzuholen

Bundesregierung scheitert daran, afghanische Ortskräfte trotz Vormarsch der Taliban zurückzuholen

Trotz des aktuellen Vormarschs der Taliban verweigert die Bundesregierung ehemaligen afghanischen Mitarbeitern der Bundeswehr sowie weiterer deutscher Stellen eine unbürokratische Aufnahme in Deutschland. Zahlreiche einstige Ortskräfte gelten als akut bedroht, weil sie von den Taliban als "Kollaborateure" eingestuft werden; seit Beginn des NATO-Militäreinsatzes am Hindukusch wurden mehr als 300 Mitarbeiter westlicher Streitkräfte gezielt ermordet. Berlin erschwert seinen früheren Ortskräften dennoch mit bürokratischen Formalitäten und Einzelfallprüfungen die Einreise in die Bundesrepublik; zudem müssen diejenigen, die ein Visum erhalten haben, die teuren Flugtickets für sich und ihre Familien selbst bezahlen. Auf der anderen Seite wurden deutsches militärisches Equipment bereits aus dem Hindukusch ohne größere Schwierigkeiten zurückgeholt.

Obwohl ein Sprecher der Bundesregierung vergangenen Freitag betonte, dass „man sich der Verantwortung gegenüber den Ortskräften sehr bewusst sei“, ist ein Visumantrag für diese immer noch erschwert. So ist die „Anlaufstelle“ für Visumanträge der Ortskräfte in Masar-e Sharif aus „Sicherheitsgründen“ nicht eröffnet worden. Visumsberechtigte Personen aus dem Norden des Landes sind deshalb gezwungen, ihren Antrag im fernen Kabul zu stellen, müssten bei der Reise dorthin allerdings von den Taliban kontrollierte Gebiete durchqueren. Außerdem besteht die Bundesregierung nach wie vor auf einer sogenannten Einzelfallprüfung, bei der ehemalige Ortskräfte im Detail nachweisen müssen, dass sie konkret von den Taliban bedroht werden. Während die Bundeswehr Antragsformulare durchs Land geflogen hat, müssen ihre früheren Mitarbeitenden, sofern es ihnen gelungen ist, ein Visum zu erhalten, das Ticket für einen Linienflug nach Deutschland selbst bezahlen; für viele ist es unerschwinglich. Eine Übernahme der Kosten wird von Seiten der Politik bisher nicht in Betracht gezogen.

Während die Bundesregierung sich schwer tut, Flüge aus Afghanistan für ihre einstigen Ortskräfte zu organisieren, bleibt die Praxis von Sammelabschiebungen nach Afghanistan unverändert bestehen. So schätzte Außenminister Heiko Maas (SPD) vergangene Woche diese Abschiebungen „nach wie vor als vertretbar“ ein. Angesichts der jüngsten Bewegungen der Taliban hatte das Ministerium für Geflüchtete in Kabul die europäischen Staaten aufgerufen, vorläufig von weiteren Abschiebungen abzusehen. Die gegenwärtige Lage sei nicht geeignet für die erzwungene Rückkehr afghanischer Migrant*innen – so die Begründung. Die Bundesregierung äußerte sich zum jetzigen Standpunkt noch nicht zu dieser Forderung.