Freihandelsabkommen CETA mit neuem Investitionsschutz: "Ist die kanadische Justiz so schwach?"

Freihandelsabkommen CETA mit neuem Investitionsschutz: "Ist die kanadische Justiz so schwach?"

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Demo gegen TTIP und CETA in Berlin, 10. Oktober 2015
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Wikimedia Commons/Foodwatch

Am 29. Februar stellten die EU-Kommissarin für Aussenhandel Cecilia Malmström und die kanadische Ministerin für Aussenhandel Chrystia Freeland die wohl endgültige Fassung des Freihandelsabkommens CETA vor. Das 1600-seitige Dokument ist seitdem auf der Website der Generaldirektion für Aussenhandel der Europäischen Kommission öffentlich zugänglich.

Der Ausschuss für Aussenhandel des Europäischen Parlaments diskutierte am Montag über CETA mit Generaldirektor für Aussenhandel Jean-Luc Demarty in einer teilöffentlichen Sitzung. Die Reaktionen drehten sich vor allem um das Thema des umstrittenen Investitionsschutzes, das in letzter Minute und auf Drängen des Parlaments im Abkommen geändert wurde. Statt ISDS heisst es nun ICS, und statt eines Schiedsgerichts unter privat ernannten AnwältInnen und ohne Berufungsmöglichkeit soll jetzt ein ständiges Investitionsgericht mit staatlich ernannten Mitgliedern und einer Berufungsinstanz her. Ist nun alles bestens mit dem Kapitel Investitionsschutz?

Wir fassen den öffentlichen Teil der Sitzung zusammen und versuchen, ein Meinungsbild zu entwerfen.

 

Vollständiger Beitrag: 9:46

 

Bernd Lange (S&D, Vorsitzender des INTA-Ausschusses): 0:39

Gleich am Anfang der Sitzung gab der Vorsitzende des Ausschusses für Internationalen Handel Bernd Lange den Ton an bei seiner Vorstellung des Themas, der rechtlich überprüften und wohl endgültigen Fassung des CETA-Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada. In der darauffolgenden Diskussion ging es hauptsächlich um die Frage des in letzter Minute überarbeiteten Investitionsschutzkapitels.

Ursprünglich war ein privates Streitschlichtungsverfahren vorgesehen, kurz ISDS auf englisch, wie bei rund hundert anderen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Drittländern. Mit diesem Verfahren dürfen Investoren eines Staates den jeweils anderen Staat vor einem privaten Schiedsgericht verklagen, sofern sie sich von einer Massnahme des anderen Staates diskriminiert oder ihre Gewinnerwartungen dadurch gemindert sehen. Diese Verfahren erfolgen ohne Richter, ohne Berufungsmöglichkeit und ohne Bezug zu einem öffentlichrechtlichen Rechtssystem. Diese Sondergerichtsbarkeit für Investoren wurde bei den Protesten gegen das viel berühmtere TTIP-Abkommen zwischen EU und USA besonders scharf kritisiert. Die öffentliche Kritik veranlasste das Europäische Parlament dazu, gegen die Einrichtung solcher Schiedsgerichte Stellung zu nehmen.

Es wurde befürchtet, dass solche Schiedsgerichte die gesetzgebende Macht des Staates unterminieren könnten, etwa im Bereich Arbeit, Umwelt oder Wirtschaft. Eine weitere Befürchtung war, dass die Schiedsgerichte durch ihr privates Charakter und durch die Abwesenheit von Berufungsmechanismen die Rechtsstaatlichkeit unterminieren würden. Der Generaldirektor für Aussenhandel war überzeugt, dass das überarbeitete Investitionsschutz nun den Erwartungen des Parlaments entspricht, und dass es vollkommen mit dem System der privaten Schiedsgerichte vollkommen bricht.

Jean-Luc Demarty (DG Trade), übersetzt: 1:35

Nach der Vorstellung des Generaldirektors für Aussenhandel erhielten der christdemokratische Berichterstatter und die SchattenberichterstatterInnen anderer Fraktionen das Wort. Christdemokraten, Konservativen und Liberalen waren zufrieden mit dem vorgestellten Verhandlungsergebnis und zeigten sich besonders eifrig, das Abkommen so schnell wie möglich zu verabschieden.

Der Schattenberichterstatter der zweitgrössten Fraktion, der Sozialdemokraten, zeigte einerseits Zustimmung für die Veränderungen im Kapitel Investitionsschutz, wollte sich andererseits nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, was die Bewertung des ganzen Abkommens angeht.

Sorin Moisa (S&D), übersetzt: 0:50

Besonders scharf kritisierten Linke und Grüne das neue Investitionsgerichtssystem, kurz ICS auf englisch. Die Schattenberichterstatterin der Linken, Marie-Anne Mineur, fragte ausserdem, warum es denn kein Kapitel zu den kleinen und mittleren Unternehmen im Abkommen gebe, während immer wieder damit geworben wird, dass gerade diese Unternehmen am stärksten von CETA profitieren werden.

Für die Grünen übte der französische Europaabgeordnete Yannick Jadot lautstarke Kritik an das gesamte Freihandelsabkommen CETA und an den Zugeständnissen, die die Kommission Stephen Harper gemacht hatte, dem ehemaligen konservativen Premier Kanadas. Bei seiner Kritik berief er sich unter anderem auf die Lage der ViehzüchterInnen, die gerade in Brüssel demonstrierten.

Yannick Jadot (Grüne), übersetzt: 0:36

Scharfe Kritik übte Yannick Jadot ebenfalls an dem neuen Vorschlag eines Investitionsgerichtssystems zwischen der EU und Kanada.

Yannick Jadot (Grüne), übersetzt: 1:15

VertreterInnen der zwei rechten europafeindlichen Fraktionen zeigten ebenfalls ihre Ablehnung des Freihandelsabkommens, insbesondere aus Ablehnung gegenüber der EU.

In diesem Kontext wird die Zustimmung oder Ablehnung des Europäischen Parlaments zum CETA-Abkommen wahrscheinlich wie so oft von den Sozialdemokraten abhängen.

Diese sind offenbar in dieser Frage gespalten oder nicht festgelegt, wie wir früher in der Äusserung des sozialdemokratischen Schattenberichterstatters hören konnten. Trotzdem kamen bei der Fragerunde am Generaldirektor für Aussenhandel deutlich kritische Fragen seitens der Sozialdemokratin Marie Arena.

Marie Arena (S&D), übersetzt: 0:19

Auf die meisten kritischen Fragen wie diese gab der Generaldirektor für Aussenhandel der Europäischen Kommission keine oder schwammige Antworten. Das liegt auch daran, dass erst alle Fragen gesammelt wurden, und anschliessend der Generaldirektor darauf antwortete.

Der 1600-seitige Entwurf des CETA-Abkommens muss nun in den 23 Amtssprachen der EU-Mitgliedstaaten übersetzt werden. Die Kommission will ihn ab Juni den RegierungsvertreterInnen der EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zur Diskussion stellen. Frühestens im Herbst werde mit einer Ratifizierung gerechnet. Ob auch die Parlamente der Mitgliedstaaten das Abkommen ratifizieren, hängt laut dem Generaldirekor für Aussenhandel davon ab, ob Kommission und Rat das Abkommen als gemischt einstufen. Sprich: Wenn das Abkommen gleichzeitig Auswirkungen auf Kompetenzen der EU und der Mitgliedstaaten hat, dann müssten auch die Parlamente aller Mitgliedstaaten über das CETA-Abkommen abstimmen. Der Generaldirektor für Aussenhandel legte sich nicht zu dieser Frage fest, meinte jedoch, in aller Regel würden solche Abkommen als gemischt eingestuft.