Green City toleriert weiterhin rechtswidrige Gehwegparker: Gemeinderat stellt mehr Personal zum Wegschauen zur Verfügung

Gemeinderat stellt mehr Personal zum Wegschauen zur Verfügung

Freiburg, Langemarckstraße

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Am 22. 03. stimmte der Gemeinderat im Zuge der Haushaltsberatungen für die Personalaufstockung des Gemeindevollzugsdienst zur Überwachung des ruhenden Verkehrs. Das ist ein positives Signal der politischen Vertreter:innen. Sie zeigen damit, dass die Gemeinderäte sehr wohl verstanden haben, dass im Bereich der Überwachung des ruhenden Verkehrs ein Vollstreckungsdefizit besteht. Allerdings hilft auch das Mehr an Personal nicht, wenn die eingesetzten Mitarbeiter:innen ihren ohnehin schon stark eingeschränkten Spielraum nicht entsprechend nutzen.

 

Hintergrund

Im Verkehrsentwicklungsplan hat der Gemeinderat schon 2008 festgelegt, dass ein Gehweg in Freiburg eigentlich 2,5 m breit sein sollte. Trotzdem schränken auf dem Gehweg geparkte Kfz die Breite der Gehwege vielerorts unzulässig ein. Teilweise stehen die Kfz dort legal, weil explizit Parkplätze ausgewiesen wurden. Oftmals stehen die Kfz aber regelwidrig auf dem Gehweg.

Wie Sandra Saur im Juni 2020 gegenüber Radio Dreyeckland erklärt, toleriert der Gemeindevollzugsdienst die Falschparker, wenn mindestens 1,5 m Gehweg frei bleiben. Die Stadtverwaltung zeigt sich verständnisvoll für die Nöte der Autofahrenden. Schließlich müssen die ja irgendwo parken.

Schon im November 2018 empfahl der Petitionsausschusses des Landtags in Baden-Württemberg, dass die Stadt Ulm anzuweisen sei, "innerhalb einer Umsetzungsfrist von drei Monaten rechtmäßige Verhältnisse beim bislang geduldeten Gehwegparken herzustellen." (S.6)

Im Mai 2020 folgte daraufhin ein Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr aus dem Landesverkehrsministerium, das in Absprache mit dem Innenministerium erstellt wurde.

"Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprinzips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern die Nicht-Ahndung braucht als Ausnahme eines zusätzlichen Kriteriums, welches zu dokumentieren ist (Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., OWiG-Mitsch, Einleitung Rn. 155, 156). Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten (zum Beispiel das Gehwegparken, das auch für Motorräder untersagt ist) nicht zu verfolgen, oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte nicht zu ahnden, haben einen Ermessensausfall und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge und stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang."

Um diesen Ermessensausfall des Freiburger Ordnungsamts ein Ende zu setzen, beauftragte der Freiburger Gemeinderat im Juli 2020 "die Stadtverwaltung, die übliche Tolerierung des Gehwegparkens zugunsten einer rechtsverbindlichen Regelung aufzugeben. In einer eigenen Drucksache im Herbst soll dargelegt werden, wie Gehwegparken in Freiburg geregelt werden soll.“ (DS G-20/148)

Im Oktober 2020 folgte dann noch ein ausführliches Hinweispapier ruhender Verkehr vom Landesverkehrsministerium. Dort wird ausgeführt, dass das Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge geboten ist, wenn eine Unterschreitung der Mindestbreite des Gehwegs von 1,5 m vorliegt. Einer tatsächlichen Behinderung bedarf es hier nicht. Generalpräventive Gründe und die negative Vorbildswirkung dürfen bei der Entscheidung über das Abschleppen mitberücksichtigt werden.

In den ersten 7 Monaten des Jahres 2020 hat der Gemeindevollzugsdienst in Freiburg gerade einmal vier Fahrzeuge abschleppen lassen. (DS G-20/267) Zwischen August und Dezember wurden dann 10 weitere PKW abgeschleppt, die illegal auf Gehwegen geparkt haben. Wer die Straßen in Freiburg kennt, weiß, dass das eine lächerlich geringe Zahl ist. In dieser Drucksache behauptet die Stadtverwaltung, dass in den "Quartieren und Straßen mit Parkraumbewirtschaftung" das Gehwegparken vom Gemeindevollzugsdienst (GVD) nicht toleriert wird. Weil die Straßenverkehrsordnung nicht nur in "Quartieren und Straßen mit Parkraumbewirtschaftung" gilt, beschloss der Gemeinderat am 08.12.2020 nochmals, dass nach einer Übergangszeit, die für eine Informationskampagne genutzt werden soll, das Gehwegparken gemäß dem „Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr“ des Verkehrsministeriums konsequent und stadtweit zu ahnden sei. Ab Herbst 2021 soll jährlich über die erzielten Fortschritte berichtet werden.

Am 03.03.2021 musste ich in der Moltkestraße an der Ecke zur Wilhelmstraße allerdings feststellen, dass selbst in Quartieren und Straßen mit Parkraumbewirtschaftung das illegale Gehwegparken weiterhin toleriert wird. Ein Kfz, das neben der Parkmarkierung über einem abgesenkten Bordstein Halbseitig auf dem Gehweg parkte, wurde von einem Mitarbeiter des Gvd begutachtet, aber nicht beanstandet. Auf meine konkrete Frage, was er denn bei diesem PKW kontrolliert habe, antwortete der der GVD-Mitarbeiter, dass er nur den Anwohnerparkausweis kontrolliert habe. Auf meine Rückfrage bestätigte er, dass das illegale Parken außerhalb der Parkmarkierung von der Stadt geduldet werde.

 

Geplatztes Interview

Eine Interviewanfrage zum Thema Gehwegparken wurde vom zuständigen Bürgermeister Breiter zunächst positiv beschieden, wenig später aber wieder abgesagt. Die fünf im Vorfeld geschickten Fragen für das Interview wurden teilweise per Mail beantwortet. Rückfragen blieben allerdings unbeantwortet. Deshalb dokumentieren wir an dieser Stelle die Kommunikation:

Frage 1: Wie rechtfertigen Sie die Tolerierung von rechtswidrigem Gehwegparken in Freiburg?

Anwort: "Der Gemeindevollzugsdienst kontrolliert im Rahmen der Parkraumbewirtschaftung stadtweit auch das Gehwegparken. Im Jahr 2020 wurden rd. 350 Fahrzeuge aufgrund von Verstößen im ruhenden Verkehr abgeschleppt und davon rd. 4 % beim Parken auf Gehwegen."

Dies widerspricht der oben gemachten Erfahrung. Leider wurde das Interview abgesagt und die Rückfragen zu dieser Diskrepanz zwischen dem Verhalten des GVD-Mitarbeiters und der offiziellen Antwort bleibt ungeklärt.

Frage 2: Was haben die Beschlüsse des Gemeinderats vom Juli / Dezember 2020 an dieser Einschätzung geändert bzw. inwiefern beeinflusst dieser den Umgang in Freiburg mit rechtswidrigem Gehwegparken?

Antwort: "Die Verwaltung hat mit der Drucksache G-20/240 eine umfassende Vorlage zum Parken in Freiburg mit einer Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung sowie einer Verbesserung des P&R-Situation eingebracht, die final mit der Beschlussfassung zum DHH 2021/2022 im Gemeinderat beraten wird. Der GVD wird den ruhenden Verkehr im Rahmen seiner personellen Ressourcen überwachen und sicherlich auch Schwerpunktaktionen durchführen."

In der Drucksache G-20/240 wird das Gehwegparken mit keiner Silbe erwähnt.

Frage 3: In wie fern geht die Drucksache "Parken in Freiburg" (G-20/240) auf den Beschluss des Gemeinderats zur Drucksache G-20/148 ein?

Frage 4: Was halten Sie für eine angemessene Übergangsfrist für die Durchsetzung von geltendem Recht in Freiburg? Bzw. konkret: Ab wann wird Gehwegparken in Freiburg geahndet?

Frage 5: Wann startet die Informationskampagne und wie wird diese aussehen?

Antwort: "Die Fragen 3 bis 5 liegen im Zuständigkeitsbereich des Dezernates V, so dass wir hierzu keine inhaltliche Aussage treffen können."

Alle fünf Fragen beziehen sich auf einen Gemeinderatsbeschluss, der die Durchsetzung des StVO durch den GVD fordert. Warum Bürgermeister Breiter hierfür nicht zuständig sein sollte, bleibt ungeklärt.

Bürgermeister Breiter weicht in dieser Angelegenheit einer kritischen Öffentlichkeit aus und vermeidet es, sich klar zur Durchsetzung der StVO im gesamten Freiburger Stadtgebiet zu bekennen. Die Bitte um die Zusendung von Dienstanweisungen, Pressemitteilungen oder ähnlichem, die eine Abkehr von der Tolerierung des illegalen Gehwegparkens belegen, blieb unbeantwortet.

10 Monate nach dem Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr, 6 Monate nach dem Hinweispapier ruhender Verkehr und drei Monate nach dem Beschluss des Gemeinderats ist auf den Gehwegen in Freiburg noch immer keine Veränderung angekommen!

Kommentar
F. Kern