Gestern Abend lief im Strandkino (wo auch sonst?) Steven Spielbergs Kultklassiker Jaws über einen weißen Hai, der einen kleinen Badort auf einer US-amerikanischen Insel in Angst und Schrecken versetzt. Nicht nur wegen der potentiellen Opfer sondern auch (oder gerade wegen?) der entgangenen Einnahmen aus dem Badetourismus. Leider ist Spielberg -- im Gegensatz zu Clint Eastwood, der es sich vor einigen Jahren nicht hatte nehmen lassen, Dirty Harry am Strand höchstpersönlich zu präsentieren -- nicht selber aufgetaucht, hat aber immerhin per Videobotschaft eine kleine Einführung in seinen Film gegeben. Dafür saß der diesjährige Jurypräsident Nanni Moretti zwei Reihen vor uns im Liegestuhl, um sich den Gruselschocker am Strand anzusehen. Der Film und die Stimmung waren dann auch wie zu erwarten großartig!
Eigentlich lädt so ein Abend am Strand ja geradezu dazu ein, ihn bei Rotwein, Baguette und Käse zu genießen. Immerhin kann man am Strand ja keine Kinosessel oder teuren Teppiche verschmieren, und die Geruchsbelästigung hält sich unter freiem Himmel auch in Grenzen. Allerdings sind Lebensmittel jeglicher Art im Strandkino strengstens verboten. Nicht einmal leere Wasserflaschen dürfen in das abgesperrte Areal (das immerhin auch für Zuschauer, die nicht am Festival teilnehmen, zugänglich ist). Am Eingang werden alle Taschen minutiös kontrolliert, weswegen die Warteschlange nach einer Weile fast bis zum Palais reicht. Es geht nur seeehr langsam voran.
Dem 35mm-Team ist es dennoch gelungen, unter Aufbietung sämtlicher Tricks, zwei Flaschen Rotwein auf das Gelände zu schmuggeln. Und das, obwohl andere Zuschauer, bei denen die Ordner vermuteten, daß ihre Freunde Lebensmittel hineingeschmuggelt haben könnten, sogar bis an ihren Platz verfolgt wurden. Als Abschirmung gegen die aufmerksamen Blicke der rechts und links neben der Leinwand patrouillierenden Wachleute dienten die vom Festival netterweise gegen die abendliche Kälte verteilten Fleecedecken. Zitat eines Freundes: "Ich komme mir vor, wie im Landschulheim, als wir heimlich unter der Bettdecke getrunken haben."
Alles in allem war das eine ziemlich lächerliche Aktion. Ich kann ja verstehen, daß die Festivalmitarbeiter nicht die halbe Nacht den Strand säubern möchten. Aber warum kann man nicht einfach an prominenter Stelle große Mülleimer aufstellen und die Zuschauer zu Beginn des Films vielleicht noch einmal darum bitten, ihren Müll dort zu deponieren, wenn sie das Gelände verlassen? Mit der Rückgabe der ausgeteilten Fleecedecken funktioniert das doch auch ganz gut. Aber so viel Selbstverantwortung traut die französische Festivalleitung dem Publikum am Strand offenbar nicht zu.
Für uns ist das Strandkino damit wohl eher gestorben. Denn neben der tollen Atmosphäre kommt das Erlebnis Strandkino doch unter anderem daher, daß es viel mehr "Wohnzimmercharakter" hat als die großen, prunkvollen Vorführungen in den Festivalkinos. Oder wir machen es, wie die cinephilen Zuschauer gestern Abend, die einfach neben der Absperrung ihre Picknickdecken ausbreiteten und ganz unbehelligt von den Ordnern den Film bei Rotwein, Bier und Knabberkram genossen. Hoffen wir nur, daß die aufgeräumt haben, damit nicht im nächsten Jahr auch noch am frei zugänglichen Strandabschnitt Taschenkontrollen durchgeführt werden. Schade, daß eine schöne Tradition so totreglementiert werden muß.