IT-Krieg gegen UmweltschützerInnen | Bespitzelung durch das US-Unternehmen V-Fluence

IT-Krieg gegen UmweltschützerInnen | Bespitzelung durch das US-Unternehmen V-Fluence

Das US-Unternehmen V-Fluence hat laut einer Enthüllung durch das internationale Netzwerk 'Lighthouse Reports' über 500 Personen und über 3.000 Organisationen, die sich kritisch mit Pestiziden und genmanipulierten Organismen auseinandersetzen, bespitzelt. V-Fluence sammelte deren Adressen und Telefonnummern sowie sensible Informationen wie Krankheiten oder Vorstrafen. Die Betroffenen wurden systematisch ausgeforscht und diffamiert.

Unerfüllte Kinderwünsche, außereheliche Affären, der Wert von Privathäusern, Verkehrsverstöße oder Parteispenden - Die von V-Fluence beschafften Informationen über mehr als 500 Personen aus Wissenschaft, Journalismus und Umweltschutz standen gegen Bezahlung auf einer geheimen und paßwort-geschützten Internet-Plattform gegen Bezahlung zur Verfügung. Teils waren sie auch frei erfunden. Die Daten dienten dazu, die Ziel-Personen zu diskreditieren und so den Profit-Interessen von Pestizid- und Gentech-Konzernen zu dienen.

Gegründet wurde die PR-Agentur V-Fluence im Jahr 2002 vom ehemaligen Monsanto-Mitarbeiter Jay Byrne. Dieser war von 1997 bis 2001 Kommunikations-Chef von Monsanto. Nach dessen eigenen Angaben bestand die Datensammlung in "Reputationsmanagement" für große Agrochemie- und Saatgutkonzerne. Zugang zu den exklusiven Daten sollen neben Führungskräften der Agrochemie- und Gentechnik-Konzerne auch Regierungsbeamte und Behörden wie die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA, JournalistInnen und industrienahe WissenschaftlerInnen (unter anderem aus Deutschland) erhalten haben. Selbstverständlich verstieß dies gegen die Datenschutzgesetze in etlichen Staaten.

Der britische Insektenforscher Dave Goulson sagte zu den Enthüllungen, er sei nicht überrascht, daß es in dieser Daten-Sammlung ein Profil von ihm gebe. Es gehöre "zum bekannten Vorgehen der Hersteller von Pestiziden, Kohlenwasserstoffen oder Tabak zu versuchen, die Glaubwürdigkeit von Wissenschaftlern zu untergraben, die ihnen im Weg stehen". In seinem Fall handle es sich um Material aus "Blogs von Personen, die direkt oder indirekt von Monsanto, heute Bayer, oder anderen Giganten der Agrarindustrie finanziert werden." Solche Aussagen würden in den sogenannten sozialen Medien wie etwa Facebook weiterverbreitet und verstärkt. "Es gibt keine Beweise oder wissenschaftlichen Argumente, es handelt sich einfach um Hetzkampagnen", die den Ruf ruinieren sollen, sagte Goulson.

Jay Byrne wies in einer Stellungnahme diese und andere Vorwürfe zurück. Sein Unternehmen berichte über globale Aktivitäten und Trends in den Bereichen Pflanzenzucht und Pflanzenschutz und liefere über seinen Newsletter ergänzende Analysen und Kontextinformationen über Interessengruppen und Themen. Es gebe "keine unethischen, illegalen oder anderweitig unangemessenen Aktivitäten unserer Organisation in Öffentlichkeitsarbeit, Lobbying und verwandten Bereichen".


Kommentar

Anstatt sich mit wissenschaftlichen Argumenten auseinanderzusetzen, versucht die Industrie, die Glaubwürdigkeit von Institutionen und Personen zu untergraben, die der Gentechnik- und Pestizidindustrie kritisch gegenüberstehen. Der Druck, die Profite zu steigern, scheint derart hoch, daß Schutzziele (Mensch, Natur, Umwelt) nicht nur hintangestellt, sondern systematisch bekämpft werden. Dieses Feld haben Consulting- und PR-Firmen, BloggerInnen und InfluencerInnen längst als mögliche Einkommensquelle für sich entdeckt: ein Geschäft, das auf Kosten der Allgemeinheit geht.