Buchvorstellung - Fassaden für die Volksgemeinschaft - Stadtbild und Ideologie: Punkt 12 - Freitag, 02.12.2022

Punkt 12 - Freitag, 02.12.2022

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Rombach Verlahg Freiburg


Freiburger Stadtplanung unter völkischer Gesinnung Veröffentlicht am 10. Mai 2022


Wulf Rüskamp legt ein längst überfälliges Buch über den umstrittenen Architekten Joseph Schlippe (1885–1970) vor. Schlippe war von 1925 bis 1951 Leiter des Hochbauamtes in Freiburg. Ohne Karriereknick hat er zwei politische Systemwechsel mitgemacht. Rüskamp geht der Frage nach, inwiefern Schlippes völkisch nationale Gesinnung das Freiburger Stadtbild bestimmte.

„Die Stümperarchitekten haben aus meinen Idealplan teilweise eine böse Karikatur gemacht …“, schreibt Joseph Schlippe 1957. Der Architekt war von 1925 bis 1951 Leiter des Hochbauamts in Freiburg und wollte die Stadt nach deren Bombardierung 1944 mit schlichten, sich unterordnenden, unauffälligen Bauten mit Einheitsfassaden wiederaufbauen.

Wulf Rüskamp, Historiker und ehemaliger Redakteur der Badischen Zeitung, sieht in Schlippes Baupolitik den Ausdruck einer völkisch nationalen Überzeugung. Diese Erkenntnis belegt er in seinem neuen Buch „Fassaden für die Volksgemeinschaft“ mit Quellenmaterial aus dem Nachlass des umstrittenen Stadtplaners. Anhand von Entwürfen, Modellen und Gebäuden wie dem Verkehrsamt am Rotteckring oder dem ehemaligen Kaufhaus Blust in der Kaiser-Joseph-Straße veranschaulicht das Buch Schlippes Stadtideal.

Rüskamp geht zudem der Frage nach, warum Schlippe trotz belegter Angleichung an die Nationalsozialisten auch nach 1945 bis zu seiner Pensionierung 1951 seine Position im Rathaus weiter ausüben konnte. Diese Tatsache setzt der Autor in Kontext zur vielfach fehlenden Selbstbefragung von Spitzenbeamten in den Nachkriegsjahren, in denen sich nationalsozialistische Denkstrukturen weiter behaupten konnten – und die einer Generation angehörten, deren Weltbild sich aus dem 19. Jahrhundert speiste. Dem zugrunde liegt nach Rüskamps Einschätzung ein „Denken in Dichotomien […] verabsolutierten Definitionen und darin untrennbar eingebettete Werturteile“, aus denen die „Verachtung des Individuellen und des freien Willens“ resultiere. Demnach sollte alles aufgehen „in der naturhaften Gemeinschaft, die vor 1945 ‚Volk‘ hieß, nach 1945 vielfach ‚Abendland‘“.