Über die großen Proteste mit 15 000 Menschen am 11.01.2025 in Riesa wurde - auch hier bei RDL- schon berichtet und sie wurden beleuchtet. Heute möchten wir die Debatte um eine Perspektive erweitern. Die von Menschen mit Behinderungen.
Dazu eine kurze Einführung (bis ca. Minute 2´) und ein Interview.
s.g. und Max
Anti-Ableismus
Scribt:
Wir möchten das jetzt noch ergänzen mit Aspekten aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen. Etwas, was nicht so bekannt ist, ist zum Beispiel, dass es im Vorfeld bei der Organisation von den Protesten in Riesa eine AG-Barriereabbau Widersetzen gegeben hat, die aus Menschen mit und Menschen ohne Behinderung bestanden hat oder noch besteht. Sie hat ein sehr umfassendes Konzept zum Barriereabbau für die Demo und alles drumrum entwickelt. Das ist ziemlich einzigartig und wir wollten diese AG Barriereabbau auch gerne Interviewen für heute, aber, sie haben sich auch sehr gefreut über die Anfrage, aber es gab noch keine Nachbesprechung und vor dieser Nachbesprechung wollte keine Person was sagen. Was ja sehr verständlich ist. Auf jeden Fall, es gab ein umfassendes Konzept zum Barriereabbau, um vielen Menschen mit Behinderung möglich zu machen, an den Protesten teilzunehmen. Es gibt ja schon seit dem letzten Jahr eine starke Mobilisierung gegen Rechts unter Menschen mit Behinderungen und es sind auch viele nach Riesa gefahren. Dazu gab es auch einen Austausch in verschiedenen Chats. Auf jeden Fall, das Konzept zum Barriereabbau fand nicht nur ich sehr beeindruckend. Es war im Vorfeld Folgendes organisiert : eine Schlafplatzbereitstellung in barrierearmen Unterkünften. Es gab für alle, für das gesamte Programm der großen Kundgebungen diverse Übersetzungen, ins Englische auf jeden Fall, aber auch in deutsche Gebärdensprache und auch in leichte Sprache. Alle Redner*innen versuchten ihre Beiträge in leichter Sprache zu halten. Es gab auch Toiletten, die barrierearm waren. Es gab Shuttles extra für Menschen mit Behinderungen auf der Strecke vom Hauptbahnhof bis zur Kundgebung. Diese Shuttles wurden allerdings von der Polizei blockiert. Es kamen die wenigsten durch. Es gab spezielle Karten und es gab eine barrierearme Demo-Route, die auch extra noch mal kürzer war. Also es waren sehr vielfältige durchdachte Angebote da. Was schon auch, finde ich, damit zu tun hat, dass in den letzten Jahren einfach viele Menschen mit Behinderungen gegen Rechts aufgestanden sind und sich politisiert haben, da sie sich sehr bedroht fühlen von dem Erstarken der Rechten, sehr direkt und unmittelbar bedroht. Das Interview mit der AG Barriereabbau hat leider nicht stattgefunden. Wir haben aber zu der Demo in Riesa noch ein anderes Interview geführt mit einer Person, die teilgenommen hat. Mit Neo, Behindertenaktivist*in aus Nordhessen: Neo ist Anfang 40 , (Pronomen: dey/they) und gehörlos. Wir haben das Interview schriftlich geführt - gestern und lesen es euch jetzt vor.
s.g.: Meine erste Frage ist: du warst auf der Demo in Riesa gegen den AfD-Parteitag am letzten Samstag. Was war für dich die Motivation hinzufahren?
Neo: Für mich war die Motivation nach Risa zu fahren, dass ich dazu beitrage, dass möglichst viele Menschen der AfD zeigen, wie wenig sie erwünscht ist. Mir ist es wichtig, mich gegen Diskriminierung jeglicher Art und für Vielfalt einzusetzen, sei es zum Beispiel Rassismus, Antisemitismus, Queerfeindlichkeit und eben Abelismus oder auch Audismus. Gerade zu zeigen, dass auch wir Menschen mit Behinderung uns dagegen einsetzen, ist mir sehr wichtig. Es gibt so viele Menschen, die von verschiedenen Diskriminierungsformen betroffen sind. Für uns alle, die zu marginalisierten Personengruppen gehören, sind die Pläne der Rechten brandgefährlich. Unsere Menschenrechte und unsere Freiheit sollen eingeschränkt werden. Viele von uns betrifft Diskriminierung auch intersektional. Ich selbst zum Beispiel bin behindert, nämlich (gehörlos) und queer (nonbinär). Deshalb bin ich mit meiner bunten Fahne mit dem Logo der antiabilistischen Aktion hingefahren, auch wenn es für mich eine Überanstrengung war.
s.g. : Waren auf der Demo in Risa viele Menschen mit Behinderung da, sichtbar auch durch Transparente oder Forderungen. Weißt du, ob Menschen mit Behinderungen bei der Organisation dabei waren oder berücksichtigt wurden?
Neo: In Risa habe ich auf dem Platz, wo die Hauptversammlung war, zwei Personen im Rollstuhl und auf den Straßen drum herum eine Person mit weißem Langstock gesehen. Schilder oder Fahnen hatten sie nicht dabei.
Was ich zur Barrierefreiheit weiß, ist, dass es am Hauptversammlungsort barrierefreie mobile Toiletten gab und dass sämtliche Redebeiträge und Liedtexte in Gebärdensprache übersetzt wurden. Und dass es im Vorfeld die Möglichkeit gab, sich bezüglich Barrierefreiheit an Widersetzen zu wenden, habe ich leider hinterher erst erfahren.
s.g.: Wie war denn die Demo für dich? Was fandest du cool? Was war schwierig?
Neo: Der Demo-Tag war schön, aber auch anstrengend und stressig. Angefangen vom genauen Überlegen, was einzupacken ist, über das frühe Aufstehen bis hin zum stundenlangen Laufen nach Riesa, weil die Busse zwei Dörfer weiter geparkt werden mussten. Dass dies den Blockadeaktionen geschuldet war, ist logisch, aber es war halt nicht barrierearm. Vor Ort am Hauptversammlungsort war es schön, mit der Musik den verschiedenen Bands, warmen Getränken von den Omas gegen Rechts und vielen gut gelaunten Antifaschist*Innen und es war zwar bitter kalt, aber trocken. Für mich persönlich schwierig war es, dass es immer voller wurde und teilweise auch etwas unübersichtlich war. Richtig traurig finde ich, dass die Polizeigewalt so offensichtlich war, dass sie nicht zu übersehen war. Auch Mitreisende, die bislang nur gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben und sie gegen Kritik verteidigt hatten, sind jetzt absolut schockiert. Dass die Polizei für Antifaschist*Innen, die sich für Menschenrechte einsetzen, kein Freund und Helfer ist, ist zutiefst beschämend.
s.g.: Was denkst du im Nachhinein, was für eine Erfahrung war das für dich?
Neo: Im Nachhinein war dieser Demotag eine sehr wichtige Erfahrung für mich und auch für die Mitreisenden der Gruppe, mit der ich da war. Es war die erste Aktionsdemo und nicht eine alleine in einem Ort stattfindende Kundgebungsdemo, wo ich dabei war. Das war wirklich etwas anderes.
s.g.: Und die letzte Frage, glaubst du, die Demo hat was bewirkt und wenn ja was?
Neo: Diese Demo hat definitiv etwas bewirkt. Zum einen das, was wir von Widersetzen und von den anderen beteiligten Organisationen nachlesen können. Zum anderen hat es mich persönlich noch einmal mehr bestärkt, mich mit meinen Möglichkeiten weiter gegen Rechts- und für Vielfalt einzusetzen, auch wenn es mich in meinem örtlichen Umfeld einsam macht. Etliche Menschen sind leider rassistisch eingestellt und zumindest Sympathisant*innen der AfD. Anderen wiederum ist es zu viel, sich aktiv einzubringen. Sie verübeln es mir sogar, dass ich mich so viel zu dem Thema äußere. Von einigen Menschen habe ich auch mitbekommen, dass sie jetzt auch mehr an Demonstrationen teilnehmen wollen. Auch wenn sie dadurch weniger Erholung am Wochenende nach einer anstrengenden Arbeitswoche haben. Das finde ich ein gutes Ergebnis.
Das war ein Interview in schriftlicher Form, das wir gestern geführt haben mit Neo, Behindertenaktivist*in, gehörlos nonbinär, Anfang 40, aus Nordhessen. Vielen Dank.!