Ungarn vor den Wahlen: Antisemitische Kampagnen verschleiern Korruptionsskandale

Antisemitische Kampagnen verschleiern Korruptionsskandale

In seinem Jahresüberblick am 18. Februar sprach Viktor Orbán über einen gewissen „homo sorosicus“, über das „dieser Tage“ enstandene Programm der Züchtung eines „Soros-ähnlichen Menschentyps“.
1989 kam der Begriff „homo sovieticus“ auf, als Soros einer Generation junger ungarischer Studenten – darunter auch Orbán – half, sich an den besten Universitäten von Westeuropa und Amerika von den Zwängen der Volksdemokratie gedanklich zu befreien. Orbán tut so als ob es gerade jetzt eine „Züchtung“ des „homo sorosicus“ gäbe.
Sowohl in seinem Jahresüberblick, als auch am Nationalfeiertag, am 15. März sprach er von den Gruppen „wir“ und „sie“ in manichäischer Art.
„Wir“, das ist das absolut gute: „Wir glauben an den Wert der Nationalstaaten, der Familie und der Arbeit“, „wir kommen aus der christlichen Kultur“. „Unsere“ Gruppe wird charakterisiert durch „Ausdauer“, „Treue“ „Kameradschaft“ und „Dienst“. „Wir lieben Ungarn leidenschaftlich, das unterscheidet uns von anderen Parteien“, „Wir hassen nie“, unsere Gruppe besteht aus „geraden“, „ehrlichen“, „nationalen“, „mild und gutgelaunten“ Menschen, „wir“ sind diejenigen, „die mehr der Welt gegeben haben, als wir von ihr bekommen haben“
Die anderen hingegen sind ganz schlecht „die Gegner sind ganz anders als wir“, „von ihnen strömt Hass“, „sie stehen nicht für das Land“, sie sind „knechtisch“, „heuchlerisch“, sie sind nicht national sondern „globalistische Weltbürger“, die wollen eine Welt mit „neuartigen Familien“ und „ohne Nationen“, weiters „abgewertete Arbeit, billige Arbeitskräfte“, sie sind „Unheilstifter“, „internationale Spekulanten“, „hinterhältig“, „verschlagen“, „sie glauben nicht an Arbeit sondern spekulieren mit Geld“, „sie haben keine eigene Heimat, weil sie fühlen, ihnen gehört die ganze Welt“, weiter „sie schrecken von nichts zurück“.

Laut Orbán, gibt es einen Unterschied zwischen den Gruppen, der auf ewigen und unabänderlichen mentalen uns seelische Eigenschaften beruht.
In beiden Reden spricht er vom „internationalen“„Soros-Netz“ das zu einem „Reich organisiert“ wurde.

Dieser Sprachgebrauch und Auswahl von Themen erinnert an die antisemitischen Klischees des XIX- XX Jahrhunderts, die eine dem nationalen entgegengesetzte „jüdische Weltmacht“, „jüdische Weltmachtziele“, „jüdische Weltbeherrschung“ u.ä.m. phantasierten Henry Ford, und Adolf Hitler.
Das kann man auch der berüchtigten zaristischen Fälschung, den „Protokollen der Weisen Zion“ und später dem „Stürmer“ und „Völkischen Beobachter“ entnehmen. Allerdings spricht Orbán die Wörter Jude oder Jüdisch nicht aus. Das was früher die Familie Rothschild war personifiziert heute George Soros und die Zuhörer verstehen den vom ungarischen Ministerpräsidenten gebrauchten Code. Natürlich ist Orbán nicht gleich Hitler. Ungarn ist kein Einparteienstaat. Es gibt keine Gestapo, die Oppositionelle in Kellern foltert.
Doch Orbáns Diktion lässt erschauern
Orbán benützt auch das alte Thema des wandernden Juden, indem er betont, dass sie fremd „anders sind als wir“, die „keine eigene Heimat“haben. „Wir die Eingeborenen, die eine eigene Heimat haben, an der wir mit hängen“, sagte Orbán am 18.2. werden diese ohne Kampf nicht aufgeben und wir müssen unsere Welt verteidigen“

Ein Satz in seiner Rede zum Nationalfeiertag hat auch in Ungarn Aufsehen verursacht, als er eine rechtliche, moralische und politische Abrechnung nach den Wahlen erwähnte. Das wird als klare Drohung gegen alle die Kritik üben, also auch Leute aus dem eigenen politischen Lager und natürlich gegen alle, die nicht der „Wir“-Gruppe angehören, verstanden.

Quelle: György Gábor  und Kata Vörös , Orbáns politische Antropologie, Élet és Irodalom, 23.3.2018

In Ungarn vergeht kein Tag an dem nicht ein Skandal bekannt wird. Ungefähr 20.000 nicht EU-Bürger, meist Chinesen, Russen und Ukrainer erhielten gegen Zeichnung einer Staatsanleihe in der Höhe von ca. 300.000 $ eine Aufenthaltsbewilligung, die zum freien Aufenthalt in der EU berechtigt. Das wurde von privaten – meist im Ausland registrierten –  Fidesz nahen Firmen abgewickelt, die davon profitierten, der Staat dürfte dabei Verlust gemacht haben. Wie schlampig die Sicherheitsüberprüfung dieser Ausländer war, wurde bekannt, als herauskam, dass auch zwei Syrer, mit denen Bashar al Assad enge Kontakte pflegte, diese Aufenthaltsgenehmigung erhielten, Salmo Bazkka, der auf einer Liste internationaler Geldwäscher vermerkt ist sowie Attiya Khoury, der auf der USA-Sanktionsliste steht, weil er illegal Erdöl des IS verkaufte und große Geldsummen aus dem Libanon und Syrien nach Russland brachte.

Ganz andere Dimensionen erreicht eine schon seit Jahren bekannte Affäre. 19 Personen, darunter 6 ungarische Staatsbürger wurden vom Bundesgerichtshof DC Columbia beschuldigt an internationalen Betrugs- und Geldwäscheoperationen beteiligt gewesen zu sein. Der Schaden beträgt 13 Millionen $ und die meisten der Geschädigten sind US-Staatsbürger. Zunächst haben einzelne ungarische Behörden mit den USA kooperiert, allerdings nicht der Justizminister. András Faidt, dem an Gold und Juwelen interessierten Anführer, gelang die Flucht in die USA, wo er in ein Zeugenschutzprogramm des FBI kam. Die USA boten den Ungarn an, Faidt in den USA zu verhören, doch aus Budapest kam keine Reaktion.
Durch diese Geldwäsche Operation wurden vier Milliarden Euro in arabische und ostasiatische Länder gebracht, es handelt sich um 18.5% der Finanzhilfe, die Ungarn während der letzten Jahre im Rahmen des EU-Konvergenzprogramms erhalten hatte. Das sind Bestechungsgelder verschiedener Politiker, die wahrscheinlich einen Teil der Beute Fidesz abgeben mussten.
Gestern wurde wieder einmal über den letzten Skandal des postkommunistischen Mafiastaates berichtet. István Tibocz, Schwiegersohn von Orbán gründete unlängst eine Firma, die sich u.a. mit dem Vertrieb von Blut und Blutplasma beschäftigt. Die Regierung intervenierte sofort und senkte den Betrag, den die Spender erhalten drastisch um seinen Profit zu erhöhen. Das Resultat Mangel an Blut und Blutplasma. Tiborcz brauchte kein Fachwissen, er konnte mit Hilfe der Regierung auf schnellen und hohen Profit hoffen. Und wenn wegen seiner Spekulation ein paar Ungarn sterben, kann er deswegen nicht angeklagt werden.

(KP)

Wir sprachen mit Karl Pfeifer über diese beiden Themen kurz vor den ungarischen Parlamentswahlen am 8. April: die Korruptionsfälle und Orbáns Reden.