Nix üble Nachrede – „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus“ können - straffrei -weiter verliehen werden,

Nix üble Nachrede – „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus“ können - straffrei -weiter verliehen werden,

Der am 9.8.13 verkündete Beschluss der 3. Kammer des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.7.13 liest sich teilweise wie ein Lehrbuchsatz für die Juristenausbildung.

Dem völlig überzogenen „Ehr“-Bedürfnis von Rechtsämtern und ihren Sachbearbeitern wird eine deutliche Schranke gezogen. Sie müssen sich für Ihr Handeln vielmehr selbst „überzogener Polemik“ stellen , denn „das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, zum Kernbereich der Meinungsfreiheit gehört und deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist (vgl. BVerfGE 93, 266 ). „

Doch nicht mal dieser Anstrengung hatte sich die Strafjustiz der Stadt Potsdam in Gestalt des Amts- wie Landgericht erst gar nicht gestellt. Denn schon ihre Auslegung des einfachen Rechtes – „falsche Tatsachenbehauptung“ und „Schmähkritik“ - war in den Augen der Richter der dritten Kammer selbst verfassungswidrig.
Eine in der der Flüchtlingsarbeit tätige Organisation – der Flüchtlingsrat Brandeburg - hatte 2010 dem Rechtsamt von Brandeburg/Havel. und einer dort tätigen Sachbearbeiterin deshalb den seit 1997 verliehenen „Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus“ verliehen, weil diese den längst fachärztlich bescheinigte Gehörverlust eines aus Sierra leone geflohenen Mannes „wider besseres Wissen“ als dessen vorsätzlichen Täuschungsversuch in sein Abschiebeverfahren eingeführt hatten.
Die Bewertung der Begründung zur Verleihung eines Denkzettels der Strafjustiz - weil die vom Rechtsamt und dem namentlich benannten Sachbearbeiter „im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits abgegebene Stellungnahme der Stadt habe absichtlich und bewusst vorliegende Fakten ignoriert, um Gründe für eine Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis vorbringen zu können. Dies stelle eine unmenschliche, diskriminierende und jegliche Tatsachen ignorierende Umgangsweise mit dem Flüchtling dar.“ - als für die üble Nachrede erforderliche nachweislich falsche Tatsachenbehauptung, verkennt nach Ansicht der Verfassungsrichter schon die Strahlkraft von Art. 5. GG.
Vielmehr müssen die Strafrichter beachten: „Ist im Einzelfall eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung nicht möglich, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte. Vorliegend ist die Äußerung, dass das Rechtsamt absichtlich und bewusst vorliegende Fakten ignoriere, um Gründe für eine Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis vorbringen zu können, ihrem Sinn und systematischen Kontext nach eine das Hintergrundgeschehen zusammenfassend bewertende Stellungnahme. „

Dem die Annahme der Berufung verweigernden Landgericht zu Potsdam, das gar eine Schmähkritik erkennen wollte, wird gleichfalls die handwerklichen Leviten gelesen:“Der Begriff der Schmähkritik ist vor dem Hintergrund, dass es nach der verfassungsrechtlichen Systematik bei im Einzelfall gegenüberstehenden Grundrechtspositionen grundsätzlich einer Abwägung zwischen diesen verschiedenen Grundrechtspositionen unter Berücksichtigung aller wesentlicher konkreter Umstände bedarf, eng definiert. Eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. (…..)Bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage wird dies nur selten vorliegen und eher auf die sogenannte Privatfehde beschränkt bleiben (vgl. BVerfGE 82, 272 ; 93, 266 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016 ).

Vorliegend befasst sich der streitgegenständliche „Denkzettel“ unzweifelhaft mit einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse. Im Fokus der Kritik steht nicht Frau B. als Person, sondern das Rechtsamt der Stadt B. und Frau B. allein in ihrer Funktion als Sachbearbeiterin dieses Rechtsamts. Die konkret für strafwürdig erachteten Äußerungen verlieren nicht jeden Sachbezug zum kritisierten Geschehen, mögen sie auch scharf und überzogen sein und mag auch die namentliche Nennung einer Sachbearbeiterin nicht angebracht erscheinen.“

Nun fehlt eigentlich nur noch die Urteilsschelte des Verfassungerichtes aus dem Munde eines bekannten Funktionärs einer bekannten Polizei „Gewerkschaft“.
(kmm,9.8.13)

Urteil des BVerfG