NSU 2.0: Staatsanwaltschaft vermutet versehentliche Datenweitergabe durch die Polizei

NSU 2.0: Staatsanwaltschaft vermutet versehentliche Datenweitergabe durch die Polizei

Nach der Festnahme eines 53-jährigen Berliners, der mutmaßlich den Löwenanteil der 133 mit „NSU 2.0“ unterschriebenen Drohschreiben verschickt haben soll, bleiben viele Fragen noch offen. Die erste Drohung ging im August 2018 an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, weitere Opfer waren unter anderen, die Kabarettistin Idil Baydar und die Politikerin der Linkspartei Janine Wissler. Die meistens als E-Mail oder Fax verschickten Botschaften enthielten zahlreiche öffentlich nicht zugängliche Daten über das Privatleben der Betroffenen und ihrer Angehörigen.

 

Der Beschuldigte verfügte über eine einsatzbereite Schusswaffe in seiner Wohnung. Er hatte ein langes Vorstrafenregister. Unter anderem soll er bereits im Jahr 2017, also vor Beginn der NSU 2.0 Serie, einen Anwalt in Würzburg bedroht haben. Der Anwalt vertrat einen syrischen Flüchtling, der ein Selfie mit Angela Merkel gemacht hatte und darauf übel beschimpft und verleumdet wurde.

 

In Sicherheitskreisen herrscht indessen Aufatmen darüber, dass der mutmaßliche Haupttäter kein Polizeibeamter ist. Allerdings bleibt zum großen Teil ungeklärt, wie der Beschuldigte an persönliche Daten seiner Opfer kam. Es gibt Vermutungen, der Beschuldigte könnte etwa durch Amtsanmaßung an Daten gekommen sein, indem er sich etwa als Polizeibeamter ausgab. Tatsächlich ist er wegen einer solchen Amtsanmaßung vorbestraft. Aber geht die „unabsichtliche Datenweitergabe“ wirklich so leicht? Kann man bei der Polizei einfach mal anrufen und sagen: „Wir kennen uns zwar noch nicht aber ich bin ihr Kollege xy, mein Computer spinnt gerade, können Sie nicht mal rasch im System nachschauen, in welchen Kindergarten das Kind von soundso geht?“ Wie soll das funktionieren?

 

Von dergleichen Zweifeln ungetrübt, erklärte der hessische Minister für Inneres und Sport, Peter Beuth (CDU), nun könnten nicht nur die Opfer erleichtert aufatmen, sondern auch die „gesamte hessische Polizei“. Die antifaschistische Initiative NSU-Watch schreibt auf Twitter: „Soll diese Erklärung uns vergessen lassen, dass die Polizistin, mit deren Account die Daten für den NSU 2.0 abgerufen wurden, mit anderen Beamten des 1. Revier Frankfurt in einer rechten Chatgruppe war?“