"Migration" ist das große Thema dieses Wahlkampfs, aber wir werden nie gefragt, was wir eigentlich davon halten. Deswegen melden wir uns hier zu Wort:
Our Voice zur Bundestagswahl.pdf
Wir sind Our Voice - die selbstorganisierte Geflüchtetenredaktion von Radio Dreyeckland.
Wir kommen aus Togo, Afghanistan, Kamerun und dem Irak. Was uns verbindet ist, dass wir aus unseren Herkunftsländern fliehen mussten und jetzt in Freiburg und Umgebung wohnen.
Obwohl manche von uns schon lange hier leben, dürfen wir nicht wählen. Die Verantwortung liegt bei euch. Am 23. Februar hat Deutschland ein Rendezvous mit der Geschichte, bei dem eure Stimme die Zukunft dieses Landes prägen wird.
Stimmt für eine Gesellschaft, in der Vielfalt keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung ist!
Das Erstarken der extremen Rechten in Deutschland macht uns Angst. Sie wenden sich vor allem gegen uns, machen uns zum Feindbild und wollen uns loswerden.
Aber im Wahlkampf greift nicht nur die AfD uns an. Fast alle Parteien machen uns zu einem Problem, das man "in den Griff kriegen" muss. Aber wir sind kein Problem, wir sind Menschen - und wir haben mehr gemeinsam, als ihr glaubt.
Wir sind hier für das Versprechen der Demokratie:
Die Menschen sind frei und gleich und haben das Recht auf das Streben nach Glück. Wer würde das nicht wollen?! Und im Grundgesetz steht schließlich an erster Stelle: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."
Wir machen uns keine Illusionen, wir wissen, dass diese Ideale auch hier nicht verwirklicht sind. Aber hier habt ihr (noch) die Möglichkeit, sie einzufordern und für sie zu kämpfen. Da sind wir gerne dabei!
Natürlich wollen wir auch konkrete Dinge:Wir wollen eine anständige Wohnung und eine fair bezahlte Arbeit. Wir wollen Bewegungsfreiheit und bezahlbare Zugtickets. Wir wollen die Sprache lernen und Freunde finden. Wir wollen ärztliche Versorgung, wenn wir krank sind und eine gute Bildung für unsere Kinder. Wir wollen Sicherheit. Ist das zu viel verlangt? Wollt ihr das nicht auch?
Wir sind nicht eure Konkurrenten: Wenn ihr uns arbeiten lasst, bezahlen wir Steuern und Beiträge und helfen, die Gesundheits-, Renten- und Pflegesysteme zu erhalten. Migration ist nötig, um diese seit Jahren fragilen Systeme zu erneuern.
Wer sagt euch, dass ihr nicht die nächsten seid?
Kaum war die Bezahlkarte für Asylbewerber*innen beschlossen, folgte die Debatte über schärfere Sanktionen für Erwerbslose. Ihr seid ja nicht arbeitslos? Glückwunsch - dann hofft mal, dass das so bleibt!
Natürlich ist das alles manchmal nicht einfach und kostet erst mal Geld und Anstrengungen. Aber das sollte es euch wert sein!
Denn wir sind keine Opfer, die ihr aushalten müsst, und schon gar keine Kriminellen oder "Problemfälle". Wir könnten eure Verbündeten sein.
Wir sind gekommen, um zu bleiben.
Natürlich könnt ihr versuchen, uns loszuwerden, und unsere Freunde und Familien an den Grenzen abzuweisen. Aber wenn ihr das tut, dann kostet es euch auch eure Ideale und eure Menschlichkeit. Nur Diktaturen haben die volle Kontrolle über Migration.
In einer Welt, die Autokraten und Superreiche unter sich aufteilen, müssen wir zusammen für unsere Werte eintreten.
Gleich und Frei.
Lasst uns gemeinsam dafür kämpfen!
Mit der Machtübernahme der Taliban durfte ich als Dozentin und Aktivistin nicht mehr arbeiten. Ich wurde mit dem Tod bedroht und gezwungen, zu Hause zu bleiben.
Hier suche ich ein freies Leben und will das Trauma überwinden, das die Taliban mir zugefügt haben.
Doch der Wahlkampf in Deutschland konfrontiert mich erneut mit diesem Trauma: wieder bin ich falsch und unerwünscht.
Kann ich mir hier überhaupt ein Leben aufbauen?
Eure Stimme bei der Wahl wird darüber entscheiden. (Fateme)
Meine Tochter wurde vor 10 Jahren in Müllheim geboren, sie war noch nie in meinem Land. „Was bedeutet Abschiebung? Warum werden Menschen in ihr Land abgeschoben? Werden wir auch abgeschoben?“ Das sind Fragen, die sie schon seit einiger Zeit stellt und die ich nicht beantworten kann. Die Nachrichten erreichen ungefiltert die Ohren unserer Kinder. Die Angst meiner Tochter und meine Angst machen mich verzweifelt. Ich habe Angst vor dem politischen Druck, vor einem ungewissen Morgen." (Awa)