Polen: Frauenorganisation ruft zum Streik gegen Anti-Abtreibungsurteil auf

Polen: Frauenorganisation ruft zum Streik gegen Anti-Abtreibungsurteil auf

"Wir nehmen unbezahlten Urlaub. Wir schließen die Firma. Oder ganz einfach - wir gehen nicht zur Arbeit", schreibt die Organisation „Allpolnischer Frauenstreik“ in ihrem Aufruf zu einem Generalstreik am heutigen Mittwoch. Letzte Woche hat das polnische Verfassungsgericht Schwangerschaftsabbrüche bei Gefahr einer Missbildung des Kindes für illegal erklärt. Dies war die Hintertüre für die allermeisten der nur etwas über 1000 legalen jährlichen Schwangerschaftsabbrüche in Polen. Erlaubt ist ein Schwangerschaftsabbruch weiter bei Gefahr für das Leben der Mutter und bei Vergewaltigung oder Inzest. Auf diese Gründe entfielen im vergangenen Jahr gerade 36 Schwangerschaftsabbrüche in Polen.

 

Nach dem Urteil demonstrierten sowohl Frauen als auch Männer in Polen. Frauengruppen drangen in Kirchen ein und störten spektakulär katholische Gottesdienste. Sowohl die katholische Kirche als auch die konservative Regierungspartei PiS wollen irgendetwas mit dem Urteil zu tun haben, obwohl sie es inhaltlich unterstützen.

 

Das Protestsymbol des Widerstandes gegen das Urteil ist ein roter Blitz. Mitglieder der Opposition im Parlament trugen am Dienstag dieses Symbol auf ihren Gesichtsmasken. Der stellvertretende Vorsitzende des Parlaments Ryszard Terlecki verglich darauf das Blitzsymbol mit Nazi-Symbolen, was zu einem Tumult im Parlament und dem Ausschluss von zwei Abgeordneten führte.

Schon einmal hatte die Frauenbewegung mit einem Streik in der Abtreibungsfrage Erfolg. Am 3. Oktober 2016 blieben 200 000 Frauen der Arbeit fern. Darauf zog die PiS einen Gesetzentwurf zurück, der ein totales Abtreibungsverbot und bei Zuwiderhandlung Haftstrafen für beteiligte Frauen und Ärztinnen und Ärzte vorsah. Diesmal kann sich die Regierung aber hinter der Entscheidung des Gerichtes verstecken. Die Unabhängigkeit des Gerichtes wird aber von der Opposition hinterfragt. In den letzen Jahren hat die PiS mit wechselndem Erfolg immer wieder daran gearbeitet, ihren Einfluss auf die Justiz und insbesondere auf die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtes auszuweiten. Seit April 2020 führt die Europäische Union ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoß gegen die Gewaltenteilung gegen Polen. Dabei geht es insbesondere um die Möglichkeit Richter*innen zu bestrafen.