Armenien: Protestanführer wird doch noch zum Premier gewählt

Protestanführer wird doch noch zum Premier gewählt

In Armenien hat am gestrigen Dienstag eine Mehrheit im Parlament doch noch für den Anführer grosser Proteste Nikol Paschinian zum neuen Premierminister gewählt. Fast sechzig der 105 Abgeordneten stimmten für ihn. Die Republikanische Partei, die über die absolute Mehrheit der Parlamentssitze verfügt, stimmte also zumindest in Teilen doch noch für ihn.

Vor einer Woche hatte diese Partei Paschinians Wahl in letzter Minute geschlossen verhindert, obwohl sie kurz zuvor beteuert hatte, sie würde sich seiner Wahl nicht widersetzen und stelle keinen Gegenkandidaten auf.

Nach seiner gescheiterten Wahl vergangene Woche hatte der Protestanführer die ArmenierInnen zu einem Generalstreik und zu einer vollständigen Blockade von Verkehr, Verwaltung, und Bildungswesen aufgerufen. Der weitgehend befolgte Protest wirkte schnell, um die parlamentarische davon zu überzeugen, Paschinian diese Woche doch noch zum Premier zu wählen.

Zehntausende Menschen in Armenien protestieren seit Wochen gegen die Korruption und die Vetternwirtschaft im Land. Sie zwangen Premierminister Sersch Sargsjan am 23. April wenige Tage nach seinem Amtsantritt zum Rücktritt. Sersch Sargsjan war bis März Staatspräsident Armeniens, aber er durfte nach zwei Amtszeiten nicht mehr für die Präsidentschaftswahl antreten. Mitte April liess er sich entgegen früherer Ankündigungen zum Premierminister wählen. Wegen einer Verfassungsreform von 2015, die die Rolle des Premierministers stärkte, wäre er damit die entscheidende Figur der Exekutive geblieben.

Die Anti-Korruptionsproteste und die Wahl von Paschinian zum Premier wird von manchen Medien als samtene Revolution kommentiert. Ob dieses Personalwechsel tatsächlich grosse Veränderungen in Bezug auf die Korruption bringen wird, ist jedoch nicht sicher. Schliesslich wurde auch Paschinian bei seinem politischen Aufstieg vom Oligarchen Tsarukian unterstützt.

(mc)