EuGH entschied, dass CRISPR/Cas unter der GMO-Richtlinie fällt: "Regulierung ist kein Verbot"

"Regulierung ist kein Verbot"

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Wenn der Bauer 's Herbizid vergisst...
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Ende Juli hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass auch die neueste Gentechnik namens CRISPR/Cas unter dem Gentechnikrecht und damit unter dem Vorsorgeprinzip fällt. Das oberste französische Verwaltungsgericht hatte den Europäischen Gerichtshof angerufen, um zu klären, ob die neue Gentechnik CRISPR/Cas unter der europäischen Richtlinie über Genmodifizierte Organismen (GMO) fällt oder nicht.

CRISPR/Cas basiert auf einen Mechanismus, den Wissenschaftlerinnen zuerst bei Bakterien beobachtet haben. Nach einer Infektion durch Viren schneiden Bakterien ihre eigene DNA und fügen an der Schnittstelle eine Gensequenz ein, die der späteren Abwehr vor dem Virus dient. Mit dem selben Mechanismus sehen sich Wissenschaftler nun in der Lage, die DNA von Organismen an präzisen Stellen zu schneiden, um erwünschte Mutationen herbeizuführen.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs mag erstmal wenig verwunderlich ausfallen: Was Gentechnik enthält, soll auch als Gentechnik behandelt werden. Doch bislang fielen vor allem jene Sorten von Pflanzen unter der Richtlinie über GMO, die durch Transgenese geschaffen wurden, sprich durch das Einfügen artfremder Gene in die DNA. Die neue Methode CRISPR/Cas hingegen arbeitet nicht mit Transgenese, sondern mit Mutagenese. Das heisst: Neue Sorten werden erzeugt, indem Brüche in der DNA der Pflanze herbeigeführt werden, die die Pflanze selbst nach einem natürlichem Mechanismus repariert. Weil dieser Reparaturmechanismus immer wieder fehlerhaft ist, entstehen an der Bruchstelle mehr oder weniger erwünschte Mutationen.

Diese Art von Mutationen durch fehlerhaft reparierte Brüche in der DNA passieren auch ohne menschliches Einwirken in Organismen. Mit verschiedenen Methoden der Mutagenese sorgen Saatgutherstellerinnen allerdings dafür, dass solche Brüche in der DNA öfter passieren, als unter den natürlichen Bedingungen. Seit Jahrzehnten werden nach dem Zufallsprinzip Brüche in der DNA künstlich herbeigeführt, indem man Saatgut radioaktiver Strahlung oder Chemikalien aussetzt. Die Pflanzensorten, die in den vergangenen Jahrzehnten dadurch entstanden, fallen nicht unter der strengen Richtlinie über GMO. Es stellte sich also die Frage, ob das gleiche für die Mutagenese mit der CRISPR/Cas-Methode gilt.

In Deutschland reagierten mehrere überregionale Medien überrascht bis enttäuscht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wonach CRISPR/Cas unter der Richtlinie über GMO fällt. So titelte Spiegel Online, es sei wie Schrotflinten zu erlauben aber Skalpelle zu verbieten.

 Über dieses Urteil und die medialen Reaktionen hierzulande sprach Radio Dreyeckland mit Christof Potthof vom Gen-ethischen Netzwerk (GeN). Er gab sich absolut zufrieden mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Matthieu hat ihn zunächst gefragt, was es genau für CRISPR/Cas bedeutet, dass es nun unter der Richtlinie über Genmodifizierte Organismen fällt.

23:49

Der Europäische Gerichtshof reagierte in seinem Urteil präventiv auf den Vorwurf, er würde "Skalpell-"Mutagenese wie CRISPR/Cas stärker regulieren als "Schrotflinten-"Mutagenese mit Strahlung oder Chemikalien. Er erklärte, dass jede Art von Mutagenese als Gentechnik bewertet werden soll, und dass die daraus entstandenen Sorten unter den strengen Auflagen der Richtlinie über GMO fallen. Lediglich Sorten, die seit Langem durch Mutagenese entstanden sind und bei denen kein Risiko festgestellt wurde, werden von dieser Richtlinie ausgenommen. Der Europäische Gerichtshof ergänzte, dass es den Mitgliedstaaten rechtlich frei stehe, selbst diese älteren Sorten den strengeren Risikoevaluierungen und Kennzeichnungspflichten der GMO-Richtlinie zu unterziehen.