Türkei: Schlag gegen Zivilgesellschaft - möglicherweise späte Revanche für Gezi-Proteste

Türkei: Schlag gegen Zivilgesellschaft - möglicherweise späte Revanche für Gezi-Proteste

Heute Morgen wurden in einer Großaktion 12 AkademikerInnen und bekannte Personen der türkischen Zivilgesellschaft festgenommen.

Die Festnahmen sollen Teil eines großen Verfahrens sein, in dessen Zentrum der Vorsitzende der Anadolu Kültür-Stiftung (Anatolische Kultur) Osman Kavala steht. Kavalas Anliegen war es, Brücken zwischen den verschiedenen Ethnien und Kulturen Anatoliens zu bauen und ihre Kunst auszutauschen. Der Geschäftsmann lag damit um volle 180° entgegen den Trend der Postulierung einer homogenen türkisch-islamischen Kultur und eines entsprechenden Menschen. Osman Kavala hatte auch viele Kontakte nach Europa und zur EU. Unter anderem arbeitete er mit den Goethe Institut zusammen.

 

Seit einem Jahr ist Osman Kavala in Untersuchungshaft. Eine Anklage oder andere nähere Erklärungen über die Gründe seiner Haft liegen nicht vor. In Kavalas Haftbefehl werden zwei Paragraphen genannt. Der eine bezieht sich auf den "Versuch die konstitutionellen Ordnung durch Anwendung von Gewalt zu zerstören", der andere "Versuch die Regierung zu stürzen oder sie an der Ausübung ihrer Pflichten zu hindern". Kavalas ANwälte vermuten, dass man Kavala vorwerfen wird, die Gezi-Proteste vom Sommer 2013 finanziert und organisiert zu haben. Proteste um den  Erhalt des Gezi-Parks im Zentrum von Istanbul wuchsen sich zu einer wochenlangen landesweiten Protestwelle gegen die Regierung Erdogan aus.

 

Zu den nun festgenommenen gehören der Prof. für Mathematik Betül Tanbay und der Dekan der juristischen Fakultät der Bilgi Universität in Istanbul, Turgut Tarhanli. Die Untersuchung gegen den ersten soll bereits 2014 begonnen haben, was ein Anhaltspunkt dafür ist, dass es tatsächlich um die angebliche Organisation der Gezi-Proteste geht. Gegen 8 weitere Personen wird ebenfalls ermittelt. Sie wurden aber bisher nicht festgenommen.

 

Korrektur: in der ursprünglichen Version dieser Nachricht wurde die festgenommene Cigdem Mater mit Nadire Mater verwechselt. Mittlerweile wurden drei der Festgenommenen freigelassen, aber mit Ausreiseverbot belegt. Die Verfahren gehen weiter.

jk