Ukraine-Verhandlungen – ein Handel mit ungedeckten Schecks

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Ukraine-Verhandlungen – ein Handel mit ungedeckten Schecks

Seitdem Putin sich mit seinem amerikanischen Fan getroffen hat, ist Bewegung in die Verhandlungen zur Beendigung des Krieges Russlands gegen die Ukraine gekommen. Das ist gut, selbst wenn es wohl nicht zu den raschen Resultaten führen wird, die da – wider besseres Wissen? – in Aussicht gestellt werden. Gut ist, dass so die Aufmerksamkeit wieder auf diesen sehr verlustreichen Krieg gelenkt wird. Schlecht ist, dass Putin Trump die Forderung nach einem Waffenstillstand ausreden konnte. D. h. Putin kann einfach so weitermachen wie bisher, es sei denn, es gibt eine rasche Einigung und die ist ohnehin schwierig und Putin kann sie, wenn er will - und wahrscheinlich will er - beliebig hinausschieben.

Doch kommen wir nun zu den Schecks, die bei dem Handel groß präsentiert werden. Putin soll sowohl einem Dreiertreffen als auch einem Zweiertreffen mit Selenskyj zugestimmt haben. Das sagt Trump, während es aus Russland dazu nur sehr unklare Aussagen gibt. Der Verdacht liegt auf der Hand, dass Putin deshalb zugestimmt hat, weil sich ein Treffen mit Selenskyj mit weniger politischem Lärm hinauszögern lässt, als ein Treffen mit Trump. Indessen weicht Putin einem Treffen mit Selenskyj seit Beginn des Krieges aus. Er will nicht mit Selenskyj auf einer Ebene gesehen werden. Das würde seinen Versuchen widersprechen, die gewählte Regierung in Kiew maximal abzuwerten.

Aber nehmen wir an, das Treffen kommt zustande. Die Positionen der beiden Seiten sind so weit auseinander, dass dabei eine Grundsatzeinigung, der berühmte „deal“, einfach nicht herauskommen kann.

Russland will sich lediglich aus Gebieten bei Charkiw und Sumy zurückziehen. Diese Gebiete sind so klein, dass man Mühe hat, sie ohne Lupe auf einer Karte der Ukraine zu finden. Dafür will Russland alle anderen seit 2014 besetzten Gebiete behalten. Außerdem soll sich die Ukraine aus der Provinz Donezk ganz zurückziehen. Damit würde Kiew seinen über Jahre ausgebauten Festungsgürtel kampflos Putin überlassen. Ungefähr eine Viertelmillionen Menschen müssten fliehen oder kämen unter Putins Herrschaft. Alle Wege für einen russischen Vorstoß bis an den Nipro und weiter nach Norden Richtung Charkiw und Kiew wären offen.

Außerdem fordert Putin die Zulassung von Russisch als Amtssprache in der Ukraine und die Zulassung der Russisch-Orthodoxen Kirche. Das klingt harmlos, ist es aber keineswegs. Der Patriarch von Moskau, Kyrill I. agiert wie Putins Marionette. Er hat Putins Überfall auf die Ukraine mehrfach unterstützt. Unter anderem hat er am 6. März 2022, 10 Tage nach Kriegsbeginn, behauptet, der russische Präsident wolle die Ukraine vor Gay-Pride-Paraden schützen.

Die Forderungen bedeuten aber vor allem eine Einschränkung der ukrainischen Souveränität und einen billigen Weg, um ihr nach Belieben Vertragsbruch vorzuwerfen. Damit hätte dann Putin rasch einen Grund, um erneut anzugreifen. Außerdem wird das Narrativ unterstützt, eigentlich sei die Ukraine ja ein Teil eines größeren Russlands.

Die Ukraine ist ihrerseits nicht bereit Gebiete abzutreten, jedenfalls nicht de jure. Sie hat dazu ein volles Recht. Russland hat dreimal, 1994, 2003 und 2004 die bestehenden Grenzen der Ukraine anerkannt. Das jetzt zu ändern, macht internationales Recht zur Makulatur. Wenn Verträge nichts gelten, wird auch Diplomatie sinnlos. Abgesehen davon geht es um das Schicksal von Millionen Menschen und auch darum, ob sich die Ukraine künftig noch verteidigen kann.

Man kann dem entgegenhalten, dass es besser sei, ein Unrecht zu akzeptieren, als einen Krieg weiterzuführen. Das Argument lässt aber außer Acht, dass ein Nachgeben angesichts bloßer Gewalt auch eine Einladung zu künftigen Kriegen ist.

Kommen wir zu den Sicherheitsgarantien. In Europa herrschte Euphorie darüber, dass Trump und sein Chefunterhändler Witkoff eine Beteiligung der USA an Sicherheitsgarantien versprochen haben. Mittlerweile hat das Trump etwas zurückgefahren. Die USA würden eine Friedensmission aus der Luft unterstützen. Was das konkret heißen soll, ist unklar. Unklar ist auch, wie die Europäer die nötige Zahl von Soldaten zusammenbekommen wollen, egal ob Deutschland dabei ist oder nicht. Eine Blauhelm-Mission der UNO, wie sie Jan van Aken von der Linken vorschlägt, wäre wie ein Regenschirm aus Papier. Völlig ausreichend, so lange es nicht regnet.

Expertinnen lassen bereits die Köpfe mit Szenarien dampfen, wie es mit den Sicherheitsgarantien vielleicht doch gehen könnte. Dabei ist das Ganze sehr wahrscheinlich nichts anderes als eine im Kreml ersonnene Beschäftigungstherapie, um von der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand abzulenken. Zwar hat Putin im Gespräch mit Trump Sicherheitsgarantien zugestimmt, aber wenn es konkret wird, kommt aus Moskau das Njet: Keine Truppen aus Nato-Staaten in der Ukraine. Wenn Moskau diese Forderung bei Verhandlungen beibehält und davon ist auszugehen, wird es auch kein Abkommen geben, das durch Friedenstruppen abgesichert werden könnte. Aber selbst wenn Moskau bei dieser Forderung nicht bleiben würde, müsste es nach einem Vertrag erst einmal zu einem stabilen Waffenstillstand kommen. Das hängt aber auch davon ab, ob Putin ihn tatsächlich will. Mit anderen Worten: auch die Sicherheitsgarantien sind ein völlig ungedeckter Scheck mit dem vor unseren Augen gewedelt wird.

Über die Aufregung um die Verhandlungen ging am Wochenende eine andere Meldung völlig unter: Trump hat die Zölle von 50 % auf Stahl und Aluminium auch auf bereits verbautes Stahl und Aluminium ausgeweitet. 407 Produkte sind betroffen, 60 weitere könnten es noch werden. Da hat nun von der Leyen Zöllen in Höhe von 15 % zugestimmt, nicht zuletzt, weil dadurch der Zoll auf europäische Autos von zuletzt 25 % gesenkt wurde. Nun wird der Zoll auf Automobile und anderes durch die Hintertüre wieder angehoben. Aber wie sollte die EU auch protestieren, wo man doch gerade Sicherheitsgarantien von Trump will?

In der Ukraine erleben wir, dass die Axt an die derzeitige Ordnung der Welt gelegt wird. Diese mag nicht gut sein, aber es geht auch noch deutlich schlimmer. Eine Atommacht zerreißt alle Verträge und greift eine Nichtatommacht, nämlich die Ukraine, die ihre Atomwaffen ausgerechnet an Russland abgegeben hat, an, raubt ihr Gebiete und spricht ihr letztendlich die Existenz ab. Wenn Putin damit durchkommt, dann heißt es letztendlich, wer keine Atomwaffen hat, der hat kein Recht. Die Konsequenzen kann man sich ausmalen.  jk