Würde die Beibehaltung des Verbrennermotors wirklich dem Klima helfen?

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Würde die Beibehaltung des Verbrennermotors wirklich dem Klima helfen?

In der Bildzeitung hat der emeritierte Professor der Ökonomie und ehemalige Leiter des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn eine Reihe von steilen Thesen aufgestellt, insbesondere dass ein Aus für Verbrennermotoren den Klimawandel beschleunigt. Und das geht laut Sinn so: „Wenn Deutschland kein Öl mehr braucht, fällt der Weltmarktpreis und andere kaufen es.“ Aha, also lieber selber die Atmosphäre verpesten. Vielen Dank für den Rat Herr Prof. Sinn!

 

Weiter warnt Sinn, dass wir auf diese Weise „unsere“ Automobilindustrie ruinieren, den Lebensstandard senken. Nein Herr Sinn, da müssen wir schon wieder widersprechen. Es ist umgekehrt, China setzt voll auf Elektroautos und subventioniert nach Ihrer Logik, da es in D nur wenige Elektroautos gibt, unseren Lebensstandard. Das allerdings nur für eine Weile, denn irgendwann können wir die veralteten Verbrennerautos immer schlechter exportieren und da D auf Exporte angewiesen ist, ruiniert das dann den Lebensstandard. Das ist wie wenn Herr Sinn im wilhelminischen Deutschland, das ja noch jede Menge Kohlegruben hatte, für die Förderung von Dampfmaschinen geworben hätte. Von Zeit zu Zeit muss man halt leider umdenken.

 

Wir produzieren viel zu wenig Ökostrom und da uns Russland das Gas abgestellt hat und wir wegen dem Überfall auf die Ukraine das russische Gas nun auch nicht wieder anstellen wollen, wird der fehlende Strom auch recht umweltunfreundlich u. a. aus Kohle erzeugt. Nur Ihre Lösung Atomkraftwerke funktioniert nicht, was immer man darüber auch denken mag. Abgesehen vom politischen Willen, ließen sich wohl höchstens die letzten drei AKWs reaktivieren und auch das ist unsicher. So zwischen 5 und allenfalls 10 % des Strombedarfs haben sie zuletzt gedeckt. Der Bau neuer AKWs würde ewig dauern. Wie gesagt, beim schleppenden Ausbau der alternativen Energien gebe ich Ihnen völlig recht. 2000 Windräder pro Jahr sollten entstehen, im Moment sind wir bei 300 und absolutes Schlusslicht sind ausgerechnet das größte Bundesland Bayern und das grün-schwarze Baden-Württemberg. Die Standardantwort der Grünen, man habe ja die Länder dazu verpflichtet, 2 % ihrer Fläche für Windenergie auszuweisen, muss leider dahingehend ergänzt werden, dass dafür 10 Jahre Zeit eingeräumt wurden. In 10 Jahren kann man dann mit der Planung des Baus beginnen. Und was ist wenn Bayern z. B. seine Abstandsregel beibehält und nur ganz niedrige Windräder gebaut werden können oder an ohnehin windarmen Stellen? Der Ausbau von Stromtrassen und Energiespeichern für Flauteperioden kommt so gut wie gar nicht voran. Ja, Ihre Kritik ist da berechtigt, aber warum ist Ihr Artikel dann kein flammender Appell für den Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung, sondern für die Beibehaltung des Verbrennermotors? Ihre Logik als Wirtschaftswissenschaftler ist, dass wenn Deutschland aussteigt, der Ölverbrauch sinkt und andere dann mehr verbrauchen. Als Ökonom sollten Sie aber auch wissen, dass nicht sinkende, sondern steigende Preise Investitionen in den Ölsektor beflügeln, womit dann der von Ihnen beschworene Effekt wieder ausgeglichen wird. Egal wie viele Porsche über deutsche Autobahnen rasen, es hilft dem Klima keineswegs.

 

Da ist noch etwas, was Sie Herr Sinn als Wirtschaftswissenschaftler vielleicht nicht bedacht haben. Wärmepumpen und Elektroautos sind viel energieeffizienter als Verbrennermotoren und Heizungen mit fossilen Brennstoffen. Damit sähe die Lage bei mehr Schwung beim Ausbau der alternativen Energieerzeugung gar nicht so schlecht aus. Um den Import von grünem Wasserstoff kommen wir wahrscheinlich nicht herum. Aber mehr Energie als jetzt müssen wir auf keinen Fall importieren. Es bleibt also etwas mehr Wohlstand hier, anstatt nach Saudi Arabien und an Ölmultis überwiesen zu werden.

 

Dass die Bild-Zeitung voll auf dem Dampfer der fossilen Energien ist, wundert keineswegs, schließlich ist die Einstellung des Vorsitzenden der Axel Springer SE, Matthias Döpfner zum Klimawandel und zu Donald Trump hinlänglich bekannt. Sinn hat sich schon 2019 mit einer kritischer Veröffentlichung zur Umweltbilanz von Elektroautos hervorgetan. Dabei unterstellte ihm sogar ein Gastbeitrag in der sicherlich nicht ökolinken FAZ Voreingenommenheit zu Gunsten des Dieselmotors. Objektiv stützen solche Veröffentlichungen - ob gewollt oder nicht - die Interessen der mit fossilen Energie handelnden Kornzerne und die vermeintlichen Interessen einiger deutscher Automobilzulieferer, denen ohne Vergaser, Kolben etc. das Geschäft  wegbricht und die daher besser täten, sich so rasch wie möglich auf andere Produkte umzustellen, statt der schönen alten Dieselwelt nachzuträumen.

Leider sind solche Veröffentlichungen wie die mit Scheinargumenten zusammengeflickten und mit Bekanntheitsgrad und Titel geadelten Artikel von Herrn Sinn nicht wirkungslos. Der Höhenflug der AfD hat sicher auch mit solchen Kampagnen gegen die Energiewende zu tun. Ein wenig wird das aber auch dadurch erleichert, dass die Grünen (von der Ampel als Ganzes ganz zu schweigen) die Energiewende etwas unkoordiniert angehen. Da hat wie gesagt an einigen Stellen auch Herr Sinn recht.

jk