Wir hatten im Vorfeld über die Klage von Werner Siebler berichtet, der vom Verfassungsschutz Auskunft über seine jahrzehntelange Überwachung bekommen wollte. Siebler war als Postangestellter 1984 vom Berufsverbot betroffen, weil er Mitglied der DKP war. 2021 wollte er wissen, was der Verfassungsschutz über ihn gespeichert hat und ob er weiter beobachtet werde. Nach einer pauschalen Ablehnung erreichte Siebler mit Hilfe seines Anwaltes Udo Kauß damals, dass ihm 37 Einträge aus den Jahren 1999 bis 2017 mitgeteilt wurden. Alles unspektakuläre politische Tätigkeiten wie dass Siebler bei Kommunalwahlen auf Platz 13 der Linken-Liste-Freiburg kandidiert habe. Seine Kritik an den Berufsverboten wurde zwar akribisch vermerkt, doch nichts zu seinem eigenen Berufsverbot.
Nun scheiterten Siebler und sein Anwalt Udo Kauß am 28. Mai am Verwaltungsgericht Stuttgart mit dem Begehren, Auskunft auch über die jahrzehntelange Überwachung vor 1999 zu bekommen. Diese Überwachung, das zumindest brachte der Prozess zum Vorschein, begann bereits 1972. Ansonsten setzte sich der Geheimdienst mit der vorher geäußerten Auffassung, dass "das Interesse" des Amtes "an der Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwandes" überwiege, am Gericht in Stuttgart ganz offensichtlich durch.
Um den Prozessverlauf besser nachvollziehbar zu machen, dokumentieren wir an dieser Stelle, die Pressemitteilung von Werner Siebler. Wir werden auf jeden Fall noch einmal über den Fall berichten.
(FK; JK)
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"Verwaltungsgericht Stuttgart lehnt Auskunftsklage von Werner Siebler ab:
Rückendeckung für Geheimdienst – Kein guter Tag für Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Über zwei Stunden wurde im gut besetzten Gerichtssaal des Verwaltungsgerichts Stuttgart am Mittwoch, 28.05.2025, beraten, ob Werner Siebler seine Verfassungsschutzakte erhält. Doch gleich zu Beginn der Verhandlung machte der Vorsitzende Richter der fünfköpfigen Kammer, Prof. Dr. Bergmann, zugleich auch Präsident des Verwaltungsgerichts, klar: „Der Geheimdienst ist ein Geheimdienst, damit das, was er tut geheim ist.“ Damit hat der Vors. Richter gleich zu Anfang den Ton angeschlagen, der die ganze mündliche Verhandlung bestimmen sollte und woran letztlich die Hinweise des anwaltlichen Vertreters von Werner Siebler auf das grundrechtliche Transparenzgebot abprallten.
Zum Beleg, dass er sich damit auskenne, verwies der Vors. Richter auf das erste NPD-Verbotsverfahren am Bundesverfassungsgericht, an dem er als wissenschaftlicher Mitarbeiter beteiligt gewesen sei. Das Verfahren sei gescheitert, weil trotz aufwendigster Prüfung nicht klar geworden wäre, welche Rolle der Verfassungsschutz in der NPD spielte, der ja viele V-Leute in der NPD hatte. Er wolle nicht, dass der Verfassungsschutz ganze „Lastwagenladungen von Akten“ beim Gericht abliefere, um dort die Daten W. Siebler betreffend herauszusuchen.
Aufschlussreicher waren da schon eher die Ausführungen der Vertreterin des Verfassungsschutzes, Frau Schmitz, die ein gewisses Verständnis zeigte, aber auf die praktischen Probleme der Datenverarbeitung beim Stuttgarter Geheimdienst hinwies: Bis 1999 habe der Verfassungsschutz mit Papierakten gearbeitet. Diese seien im Keller des Verfassungsschutzes gelagert und es würde viel Zeit und personelle Ressourcen kosten, heraus zu suchen, was alles zu „Werner Siebler“ gespeichert sei und was davon aus Gründen des „Quellenschutzes“ weiterhin geheim bleiben müsse. Alles vor 1999 sei deshalb eine „Blackbox“. Erst seit 1999 gebe im Rahmen des vom Bundesamt für Verfassungsschutz geführten Nachrichtendienstlichen Informationssystems NADIS-WN eine digitale Erfassung der jeweiligen „Erkenntnisse“. Hieraus habe man W. Siebler Auskunft erteilt über Erfassungen von 1999 – 2014, soweit diese nicht selbst geheim zu halten wären. Zu mehr sei der Verfassungsschutz nicht verpflichtet.
Das mochte Sieblers Anwalt Dr. Udo Kauß so nicht hinnehmen. RA Kauß hatte bereits andere von jahrelanger Beobachtung durch den Verfassungsschutz Betroffene erfolgreich vertreten (RA Michael Moos, 42 Jahre; Bürgerrechtler RA Rolf Gössner, 38 Jahre Beobachtung). RA Kauß legte dem Gericht dar, dass es ein berechtigtes Interesse Sieblers gebe zu erfahren, was über ihn und seine gewerkschaftliche, sein bürgerrechtliche und seine politische Arbeit seit 1972 gespeichert worden sei. Der Verfassungsschutz dürfe sich für ganze 27 Jahre (1972 – 1999) nicht mit der kargen Auskunft begnügen: „Auf Grund der dem LfV vorliegenden Erkenntnisse ist von einer Zugehörigkeit zur linksextremistischen Szene auszugehen“. Einerseits treibe der Verfassungsschutz enormen Aufwand zur Beobachtung eines Bürgers, und wolle nun mit dem Hinweis auf die offenbar über den Bürger Siebler angehäufte große Datenmenge das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 GG verwehren, das - im demokratischen Rechtsstaat - ein Auskunftsrecht auch und gerade gegenüber Geheimdiensten gewährt.
Es sei deshalb nicht zulässig, die Auskunft über alles bis 1999 Gespeicherte zu verweigern, weil der Verfassungsschutz für die Zeit danach über schnellere EDV-Systeme verfüge. Der Verfassungsschutz habe sicher nicht bei jeder Anfrage zu Werner Siebler erst tagelang Papierberge durchsuchen müssen, sondern bereits mit konventionellen Informationssystemen sehr wirksam arbeiten können, wie nicht nur die Praxis des Radikalenerlasses nachdrücklich belege. Das Gericht dürfe den Verfassungsschutz nicht selbst darüber bestimmen lassen, was er offenbaren wolle oder nicht. Da müsse ein Gericht darauf schauen.
Auf Nachfrage seitens des Gerichts teilte Werner Siebler schon seine Überraschung mit, dass über ihn bereits seit 1972 Daten gesammelt und er zur linksextremen Szene gerechnet worden sei. Er sagte dazu: „1972 wurde ich zum Jugendvertreter beim Postamt Freiburg gewählt und ich wundere mich schon, dass die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) vom VS damals dem linksextremen Spektrum zugeordnet worden sei.“
Die Vertreterin des Verfassungsschutzes schwieg dazu und der Vors. Richter Prof. Bergmann wiederholte mehrfach sein Bedenken, dass 5, 7 oder gar 10 LKW Ladungen mit Erkenntnissen auf das Verwaltungsgericht zukommen könnten. Es beruhigte ihn auch gar nicht der Einwurf von RA Dr. Kauß, es würde vermutlich doch auch eine Schubkarre ausreichen. Das Problem sei einfach dass Werner Siebler über einen so langen Zeitraum aktiv gewesen sei. Auf Nachfrage erklärte Werner Siebler das Motiv für seinen Auskunftsantrag: Er befürchtet, dass auch alle anderen Erkenntnisse sich auf dem gleichen Niveau befinden, wie die bereits mitgeteilten 37 „Erkenntnisse“, die sich ausnahmslos im Bereich eines völlig legalen und demokratischen Engagements bewegten, z.B. die Teilnahme an der Organisation einer großen Demonstration gegen die NPD in Freiburg. Was daran verfassungsfeindlich sei, dass der Geheimdienst das erfassen müsse, fragte Siebler. Er bekam aber keine Antwort darauf.
Vorab hat das Gericht sein Urteil mitgeteilt: Die Auskunftsklage von Werner Siebler wird abgewiesen.
Eine Urteilsbegründung wird innerhalb der nächsten Wochen übersandt werden.
Ob das Urteil mit der Berufung angegriffen werden soll, kann erst nach Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe durch Rechtsanwalt und Beratung mit seiner Gewerkschaft verdi. entschieden werden. "