„Information ist eine Waffe“: Zensur und Repression gegen Indymedia und Bure in Frankreich

Zensur und Repression gegen Indymedia und Bure in Frankreich

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Screenshot der Indymedia-Seite Grenoblé
Screenshot der Indymedia-Seite Grenoblé
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Quelle: 
www.grenoble.indymedia.org

Die französische Polizei ordnete vergangenen Donnerstag die Zensur eines Bekennerschreiben auf den Seiten von Indymedia Nantes und Indymedia Grenoblé an. In der vorherigen Nacht wurde eine Parkgarage der Polizei abgebrannt. Nahezu gleichzeitig kommt es zu einer groß angelegten Razzia bei den Aktivist*innen in Bure, welche dort gegen das Atomendlager "Cigeo" aktiv sind. Ein kurzer Bericht über die Zensur, der Razzia, Reaktionen und Zusammenhänge.

Skript:

Feurige Solidarität. Diesen Donnerstag um drei Uhr morgens, am zweiten Tag des Prozess des abgefackelten Autos. Sind in die Kaserne der Gendarmerie Vigny-Musset eingebrochen. Haben sechs Einsatzwägen und zwei Lastwägen angezündet. Die Garage und die Lagerräume wurden auf mehr als 1500 Quadratmeter verwüstet. Diese Aktion reiht sich in eine Angriffswelle der Solidarität mit den Personen, die in diesen Tagen Prozesse haben. Dicke Umarmung an Kara und Krem. In Gedanken bei Damien, der*die kürzlich von den Bullen verprügelt wurde. Für die, die am Prozess teilhaben müssen, wir werden uns die Polizei und die Justiz weiter vorknöpfen. Unsere Feindseligkeit ist ein Feuer, das sich schnell verbreitet. Die Nächtlichen

Das sind die Worte, welche vergangenen Donnerstag den 21. September in Frankreich das "Office Central de Lutte contre la Criminalité liée aux Technologies de l’Information et de la Communication (OCLCTIC)" veranlassten die beiden Indymedia Seiten von Grenoble und Nantes dazu aufzufordern den Artikel zu löschen. Dabei gab die Behörde eine Frist von 24 Stunden vor, bevor sie die beiden Indymedia-Seiten auf die französische Zensurlistegesetzt hätte. Zuvor hatten aber auch Nachrichtenseiten wie Dauphiné Libéré und 20minutes das Bekennerschreiben vollständig übernommen.

Auslöser des Brandanschlags ist ein Gerichtsverfahren gegen neun Personen, denen vorgeworfen wird am 18. Mai 2016 ein Polizeiauto in Paris angezündet zu haben. Das Gerichtsverfahren begann am 19. September.

Dementsprechend auch die Legitimation für die Zensur durch die Behörde. Mit dem Vorwurf des „Aufrufs zu terroristischen Akten oder der Verherrlichung davon" wird die Zensuranordnung, welche ohne richterlichen Beschluss erfolgte, begründet. Möglich ist dies auf Grund eines Gesetzes vom 13. November 2014, welches die Verfassung im Bezug auf den angeblichen Kampf gegen den Terrorismus verschärft hat.

Dabei ist, wie üblich, weder der Begriff Terrorismus genauer definiert noch klar, was einen Aufruf darstellt. Für die Polizei bietet das Gesetz jedoch das Mittel der Zensur, den sie darf auf dieser Grundlage seit Februar 2015 Webseiten oder Texte ohne richterlichen Bescheid vom Netz nehmen. Für Frankreich ist es ein Novum, das dieses Mittel, welches bisher als Instrument gegen religiös-fundamentalistischen Terrorismus genutzt wurde, auch gegen Aktionen von Anti-Autoritären Gruppen genutzt wird.

In einem Communiqué zu den Vorfall schreibt Indymedia Grenoblé:

"diese Entwicklung (...) erinnert direkt an den Angriff auf Indymedia Linksunten am 25. August in Deutschland, wobei sowohl vier Wohnungen als auch ein Autonomes Zentrum durchsucht wurden, und dies alles mit den gleichen Vorwänden".

Trotz dem direkten Bezug zum rechtlich nicht haltbaren Verbot von Linksunten Indymedie lässt sich in den deutschen Medien bisher wenig Berichtererstattung zu dieser Fortsetzung der Repression gegen unabhängige Medienplattformen finden.

Die Gruppen hinter den Indymedia Plattformen in Nantes und Grenoble reagierten beide mit der Löschung des Artikels von ihrer Webseite aber veröffentlichten dazu jeweils Statements. Die Reaktionen darauf sind vielfältig, und so kam es auch schon zu vielen Solidaritätsaktionen in ganz Frankreich. Kritik am vorgehen der Polizei kam unter anderem auch von La Quadratur du Net, eine nicht kommerzielle Organisation, die sich für die Freiheit des Internets einsetzt. Aktivist*innen welche über den Vorfall auf der Webseite www.barrikade.info berichteten kommentieren:

Die Verwendung von Anti-Terror-Gesetzen um spezifisch unabhängige Informationsplattformen anzugreifen widerspiegelt die Heftigkeit der geforderten Strafen gegen die angeklagten Personen im Fall des angezündeten Autos am Quai Valmy. Dabei geht es gleichermaßen um die Einschüchterung von Aktivist*innen als auch um die Entpolitisierung von Aktionen. Seit Jahren zeigen die Indymedia-Plattformen unter anderem die unverfälschten Inhalte direkter Aktionen. Diese neusten Angriffe gegen unabhängige Medien zielen darauf ab, radikale Opposition zum Schweigen zu bringen; und versuchen Kollektive und Individuen, die ihren politischen Inhalten ohne die Verzerrung durch traditionelle Medien Raum verschaffen wollen, zu kriminalisieren.

Unklar ist auch, in welchem Zusammenhang dieses Vorgehen gegen die Meinungsfreiheit im Internet mit den Hausdurchsuchungen am 20. September, ein Tag vorher, bei Atomgegner*innen in Bure stehen. Dort war die Polizei in mehrere Wohnungen eingedrungen in denen Gegner*innen des geplanten Atomendlagers „Cigeo“ wohnen. Unter dem Befehl des ehemaligen Umweltministers, welcher selber 2014 sich noch mit Protestplakaten gegen das Atomendlager ablichten lies, wurden Computer, Fotokopierer, angebliche „Waffen“ und viele andere Sachen von der Polizei in Beschlag genommen und eine Person wegen angeblichen Widerstands vorübergehend Festgenommen. Die 150 schwerbewaffneten Gendarmen verkündigten, es gäbe ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer Kriminellen Vereinigung zur Verhinderung des Atomklos.

Für Aktivist*innen in Frankreich ist aber klar, das beide Aktionen in sofern Zusammenhängen, das versucht wird „die Öffentlichkeitsarbeit der Widerstandsbewegungen zu verunmöglichen.“. Die betroffenen Indymedia Seiten und die Aktivist*innen in Bure rufen zu solidarische Aktionen gegen das Vorgehen der französischen Polizei auf.

In Bar-le-Duc gibt es am 24. Oktober einen weiteren wichtigen Termin im Bure Widerstand. Zwei Bauern aus dem Widerstand gegen das Atommüllendlager stehen dort um 9 Uhr vor Gericht. Während dem einen Beleidigung vorgeworfen wird, droht dem zweiten die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe von drei Monaten Knast auf fünf Jahre Bewährung – und das wegen des Verleihes eines Traktors.

Es wird jedenfalls für den 24. 10. zur solidarischen Prozessbegleitung aufgerufen.

Am Mittwoch, den 25. Oktober, gibt es in der KTS Freiburg in der Baslerstraße 103 eine Infoveranstaltung zum Stand der Dinge und der Repression gegen CIGEO-Gegner*innen, organisiert vom Freiburger Solikommittee für Bure.