Gegen Kohleförderung und Kohlekraft ist in Kenia und in anderen afrikanischen Ländern die Bewegung "Decoalonize" entstanden.
Aktuell kritisiert Decoalonize vor allem die Vergabe einer Konzession an eine chinesische Firma zur Kohleförderung in der Region Kitui und wendet sich gegen ein neues Kohlekraftwerk mit einer Leistung von einem Gigawatt in der Nähe der kleinen historischen Hafenstadt Lamu. Neben der Kritik an der Auslagerung der chinesischen Wirtschaft in Länder wie Kenia warnt die Decoalonise-Bewegung vor allem vor den negativen Folgen der Kohlekraft für die Umwelt, die Gesundheit und die lokale Wirtschaft.
Manuskript:
Bislang spielte Kohle kaum eine Rolle in der Energiebilanz Kenyas. Laut Zahlen der Internationalen Energiebehörde IEA aus dem Jahr 2015 machte Kohle rund 1 Prozent der gesamten Primärenergie Kenyas aus, das heisst in der Summe aus der lokalen Produktion und den Importen von Energierohstoffen. Und dieses eine Prozent Kohle im primären Energiemix bezog Kenya demnach vollständig aus Importen und nicht etwa aus eigener Kohleförderung. Die Statistiken der Internationalen Energiebehörde mögen unvollständig sein, wenn es um Staaten wie Kenya mit einem lückenhaften Statistikapparat geht. Aber die Einschätzung, dass Kenya bislang über keine größere Kohleproduktion verfügt, dürfte trotzdem stimmen.
Folgt man den Zahlen der Internationalen Energiebehörde weiter, so diente die Gesamtheit dieser Kohleimporte direkt der Industrie. Es gab demnach keine nennenswerte Stromproduktion aus Kohle, um damit den Energiebedarf der Allgemeinheit zu decken.
Für den eher bescheidenen Industriesektor Kenyas jedoch war Kohle ein wichtiger Faktor: die Kohleimporte deckten damals ein Viertel ihres Energieverbrauchs. Ein weiteres Viertel des Energieverbrauchs der Industrie wurde durch Wasserkraft gedeckt, und die Hälfte durch Erdöl.
Diese Zahlen könnten Aufschluss darüber geben, was die Kohleförderung vor Ort für die kenianische Regierung bedeutet: mit ihr wird es möglich, energieintensive Industrien weiter auszubauen und zugleich weniger abhängig von Importkohle und damit autonomer in der Energieversorgung zu werden. Diese Zahlen könnten auch Aufschluss darüber geben, was die Bevölkerung Kenyas von der Kohleförderung zu erwarten hat: mehr Industrie und damit mehr Lohnarbeit, aber nicht unbedingt mehr Strom für die Allgemeinheit.
Gegen Kohleförderung und Kohlekraft ist in Kenya und in anderen afrikanischen Ländern eine Bewegung entstanden, die sich "Decoalonize" nennt. "Decoalonize" ist ein Wortspiel, das auf Englisch die Wörter "Entkolonisieren" und "Kohle" kombiniert. Damit wird auch deutlich gemacht, dass vor allem ausländische Firmen und Staaten an der Kohleförderung und an den Kohlekraftwerken verdienen, die aktuell in den afrikanischen Ländern aufgebaut werden.
Laut der Website "Decoalonize.org" wird Kohlekraft vor allem seit 2013 als praktikable Energiequelle in Kenya vorgestellt. Hier richtet sich die Bewegung aktuell vor allem gegen die Vergabe einer Konzession an eine chinesische Firma zur Kohleförderung in der Region Kitui und gegen ein neues Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1 Gigawatt in der Nähe der kleinen historischen Hafenstadt Lamu. Beide Projekte stehen miteinander in Verbindung. Das Kohlekraftwerk Lamu soll im Endeffekt mit Kohle aus der Nachbarregion Kitui betrieben werden. Bis das neue Kohlerevier Kenyas die erwünschte Produktion erbringt, soll die Kohle aus Südafrika importiert werden, wo ebenfalls einer der Investoren des geplanten Kohlekraftwerks Lamu ansässig ist.
Der Bau des Kohlekraftwerks Lamu beinhaltet den Plan, 1.400 chinesische Arbeitnehmer zu entsenden. Sie würden rund 40 Prozent der Beschäftigten auf der Baustelle ausmachen. Auch beim späteren Betrieb sollen entsandte chinesische Arbeitnehmerinnen die Hälfte der 500 Beschäftigten stellen. Das Verhältnis von chinesischen ArbeitsmigrantInnen zu lokalen Arbeitskräften ist bei vielen anderen großen Infrastrukturprojekten mit Beteiligung chinesischer Konzerne in Kenya und in anderen afrikanischen Ländern ähnlich.
Neben dieser Kritik an der Auslagerung der chinesischen Wirtschaft in Länder wie Kenia warnen die Decoalonise-Bewegung und manche Medienberichte vor allem vor negativen Folgen der Kohlekraft für die Umwelt, die Gesundheit und die lokale Wirtschaft.
Nach Inbetriebnahme des Kraftwerks könnte die erhöhte Feinstaubverschmutzung zu Atemwegserkrankungen bei den Menschen in der Region und bei TouristInnen führen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace beziffert die Zahl der frühzeitigen Tode durch Toxinausstöße aus dem Kohlekraftwerk auf 1.600 in den nächsten 40 Jahren.
Die Region um Lamu ist zwischen Flüssen, Inseln und Indischem Ozean gelegen, die BewohnerInnen leben vor allem von der Fischerei. Die Existenz von schätzungsweise drei Viertel der örtlichen Bevölkerung hängt von der Fischerei ab. Doch lokale Initiativen befürchten unter anderem, dass die Verschmutzung und das erwärmte Wasser, welches das Kühlsystem des künftigen Kohlekraftwerks in den Fluss ausstoßen wird, negative Folgen für die Fischbestände nach sich ziehen werden.
Das zweite wirtschaftliche Standbein für die örtliche Bevölkerung ist der Tourismus. Die Altstadt von Lamu zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe, außerdem ist die Küste am Indischen Ozean beliebt. Auch das könnte sich laut GegnerInnen des Kohlekraftwerks nach dessen Inbetriebnahme ändern, wenn Luft und Wasser verschmutzt werden.
(mc)