Ambossquietschen, Mi. 15. September, 20-21 Uhr

Ambossquietschen in der Reihe:

Pre-Read: "Wer wissen will, was nächstes Jahr im Buchladen steht, kann hier blättern."

amboss-webTeil III aus den "Nach-Geschichten" von Jenny Warnecke (2011)

Es geht um die Sozialisation von Lukas, dem Sohn einer die Nazi-Zeit in Berlin überlebenden Jüdin. Und um die Vorgeschichte der Mutter. Und andere Nebenstränge. Aus dem Text:


Foto: Ellenai Predski (Berlin 1944)

"Ich glaube, dass die ganze Gesellschaft sehr beschädigt ist von der Nazi-Zeit. Sowohl die Überlebenden als auch die Täter und deren Kinder. Dieses Beschädigt-Sein kann ich meiner Mutter natürlich nicht vorwerfen. Aber

Ambossquietschen, Mi. 15. September, 20-21 Uhr

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Ambossquietschen in der Reihe:

Pre-Read: "Wer wissen will, was nächstes Jahr im Buchladen steht, kann hier blättern."

Teil III aus den "Nach-Geschichten" von Jenny Warnecke (2011)

Es geht um die Sozialisation von Lukas, dem Sohn einer die Nazi-Zeit in Berlin überlebenden Jüdin. Und um die Vorgeschichte der Mutter. Und andere Nebenstränge. Aus dem Text:


Foto: Ellenai Predski (Berlin 1944)

"Ich glaube, dass die ganze Gesellschaft sehr beschädigt ist von der Nazi-Zeit. Sowohl die Überlebenden als auch die Täter und deren Kinder. Dieses Beschädigt-Sein kann ich meiner Mutter natürlich nicht vorwerfen. Aber

sie hätte vielleicht nicht so viele Kinder bekommen sollen. Das
erfordert viel Empathie. Die konnte sie nicht aufbringen. – Ich habe
kein richtiges Bild von meiner Mutter.“ 

Er schweigt und schaut auf die Papiere und Fotos, die er über den Tisch
verteilt hat. Er nimmt eine Porträt-Aufnahme von einer Frau, die mit
einer Zigarette in der Hand selbstsicher in die Kamera schaut. „So sah
Mammi sich gerne. Das hat ein Fotograf 1944 aufgenommen. Wer das genau
war, weiß ich nicht. Er hat eine ganze Serie Ellenais gemacht."

(...)


Er lässt die Zeitung sinken: „Diese Idioten von Priestern. Schon wieder
eine neue Heiligsprechung! Der Papst kassiert wohl Provision.“

„Ach Tate, reg dich nicht immer so auf. Es gibt wirklich wichtigere Dinge.“

„Ich reg mich doch gar nicht auf. Im Gegenteil: ich finde es gut, dass
Raviolis quasi eine heilige Mahlzeit sind, um nicht zu sagen ein
würdiges Abendmahl für heute. Doch echt! Die unfehlbare Unschuld in
Person von Papst Innozenz dem dritten hat den Asketen Wilhelm 1202 selig
gesprochen, fast 50 Jahre nach seinem Tod – und warum? Weil er Raviolis
gesegnet hat, die mit Stroh gefüllt waren, und sie sich dadurch – so
will es das Wunder – in leckere Quarktäschchen verwandelt haben. Wer
nochmal was gegen meine heilige Dosenkost sagt, muss mit der Rache des
Wilhelm von Malavalle rechnen!“


(Wdh.: Do. 16. September, 13-14 Uhr)