Ganz große Koalition im EU-Parlament unterbindet rechtliche Vorab-Prüfung CETAs: "Daniel Caspary (CDU) befürchtet, dass es den Tod CETAs bedeuten könnte, falls die Richter Recht sprechen sollten"

"Daniel Caspary (CDU) befürchtet, dass es den Tod CETAs bedeuten könnte, falls die Richter Recht sprechen sollten"

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Plenarsaal des EU-Parlaments in Strasbourg
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Wikipedia/J. Patrick Fischer, CC BY-SA 3.0

Das Europäische Parlament tagt diese Woche wieder im Plenum in Strassburg.

Über 80 Europaabgeordnete, darunter die Grünen, hatten eine Plenumsdebatte und eine Abstimmung zum Freihandelsabkommen CETA mit Kanada beantragt. Eine besondere Kritik am Freihandelsabkommen richtet sich gegen die Einrichtung eines sogenannten Investment Court System kurz ICS, eines Klagemechanismus für InvestorInnen gegen Staaten. Die über 80 Abgeordneten forderten, dass das Europaparlament das Freihandelsabkommen zunächst an das Europäische Gerichtshof zur rechtlichen Prüfung weiterleitet, bevor es im Parlament überhaupt zur Abstimmung darüber kommt.

In einer Presseerklärung am vergangenen Donnerstag bemängelten die Grünen jedoch schon, dass die grosse Koalition aus der christdemokratischen Europäischen Volkspartei kurz EVP, den Sozialdemokraten und den Liberalen im Europaparlament diese beantragte Plenardebatte zu CETA unterbunden hätten. Die grosse Koalition habe es auch unterbunden, dass die Ausschüsse für Beschäftigung und für Umwelt eine Meinung über das Abkommen äussern.

Bei den gestrigen Pressekonferenzen der Fraktionen im Europäischen Parlament waren die Grünen die einzigen, die das Thema CETA erwähnten, genauer gesagt das Fehlen von CETA auf der Tagesordnung für diese Woche. Deswegen ist im folgenden Beitrag lediglich der grüne Ko-Fraktionsvorsitzende Philippe Lamberts zu diesem Thema zu hören. Er gab zu bedenken, was es implizit zu bedeuten hat, dass sich die CETA-Unterstützer so sehr dagegen stemmen, das Abkommen den Richterinnen zur Prüfung weiterzuleiten:

Philippe Lamberts: "Ich erinnere daran, dass Belgien Einspruch beim Gerichtshof einlegen wird über die Vereinbarkeit des ICS, also der Schiedsgerichte, mit dem europäischen Recht.

Unsere Stellung dazu – und das wollten 84 oder 85 Abgeordnete diese Woche erreichen – ist eine Abstimmung mit dem Ziel, Einspruch beim Gerichtshof über den gesamten Text einzulegen.

Sie haben gestern vielleicht den Austausch im Plenum gehört. Es hat mich etwas belustigt, Daniel Caspary aus der EVP zu hören, wie er die Grünen anprangerte, weil sie gegen CETA seien – und da hat er Recht. Vor allem aber fand ich es interessant, dass er einen Bezug herstellte zwischen einem Einspruch beim Gerichtshof und den Tod CETAs.

Ich stelle also fest, dass der hartnäckige Chefverteidiger des gegenwärtigen Vertrags befürchtet, dass es den Tod CETAs bedeuten könnte, falls die Richterinnen Recht sprechen sollten.

Ich glaube, man muss die Erklärung nicht weiter suchen, warum vermutlich eine Mehrheit in diesem Parlament, die Gesamtheit des Rates – bis auf Belgien für einen bestimmten Punkt–, und die Kommission, warum es diese Institutionen also verweigern werden, nach der Ansicht der Richter zu fragen."

Soweit Philippe Lamberts, Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen Fraktion im Europaparlament. Laut der heutigen Tageszeitung taz soll das Freihandelsabkommen CETA Mitte Dezember im Eilverfahren verabschiedet werden. So will es offenbar der sozialdemokratische Parlamentspräsident Martin Schulz. Auf die Meinung von Parlamentsausschüssen werde er nicht warten.

Auch die versprochene Beteiligung der Parlamente der Mitgliedstaaten werde sich auf ein Mittagessen mit dem federführenden Ausschuss des Europaparlaments beschränken, so die taz. Und das auch nur für eine Abgeordnete pro Mitgliedstaat. Also werden sicherlich nur Abgeordnete der jeweiligen Regierungsmehrheit teilnehmen. Kritische Beteiligung kann man also auch von dieser Seite wohl kaum erwarten.

 

Update:

Auch ohne Plenardebatte stimmte das Europaparlament heute (Mittwoch) Mittag über den oben genannten Vorschlag ab. Nicht erstaunlich lehnte es eine deutliche Mehrheit von fast 420 der insgesamt rund 750 Europaabgeordneten ab, CETA vor der Ratifizierung durch den Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Rund 250 Abgeordnete unterstützten diesen Vorschlag.