Demokratische Republik Kongo hatte bisherige Pässe für ungültig erklärt: Französische Grenzpolizei verweigerte Menschenrechtsverteidiger die Einreise

Französische Grenzpolizei verweigerte Menschenrechtsverteidiger die Einreise

Seinen Pass besitzt man als Einzelperson streng genommen nicht. Darauf steht, dass es Eigentum des Staates ist. Diese Tatsache lässt sich besonders dann spüren, wenn ein repressiver Staat kurzerhand die bisherigen Pässe für ungültig erklärt, und andere Staaten diese Entscheidung auch umsetzen. Dadurch können Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit stark beschränkt werden.
Matthieu berichtet über einen absurden Vorfall am Pariser Flughafen, wo ein Reisender Opfer von widersprüchlichen Entscheidungen der französischen Behörden wurde. Der Fall beleuchtet zum einen die Folgen einer unhinterfragten Zusammenarbeit europäischer Behörden mit Behörden in repressiven Staaten. Und zum anderen zeigt er wieder einmal die rechtswidrigen Zustände bei Einreiseverweigerungen in den französischen Flughäfen.

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Manuskript:
Am internationalen Flughafen Roissy bei Paris ereignete sich Ende Januar ein absurder Vorfall. Die Grenzpolizei verweigerte einem Mann die Einreise, obwohl dieser noch ein paar Tage zuvor ein französisches Visum erhalten hatte.
Der Mann war für Arbeitstreffen von Senegal nach Frankreich geflogen. Er hatte alle Unterlagen dabei, die man als Ausländer braucht, um – sei es auch noch so kurz – in die EU einzureisen. Er konnte eine Unterbringung, eine Versicherung, genügend Geld sowie einen Rückflug vorweisen und hatte einen kongolesischen Pass mit dem eben genannten französischen Visum. Trotzdem wurde ihm die Einreise verweigert, weil sein Pass nicht mehr gültig sei.
Der Grund: Im Oktober hatten die Behörden der Demokratischen Republik Kongo beschlossen, einen neuen biometrischen Pass auszugeben. Sie hatten gleichzeitig alle bisherige halbbiometrische Pässe für ungültig erklärt. Also auch die, die noch nicht abgelaufen waren. In einer Dienstanweisung vom 14. Januar setzte auch die französische Grenzpolizei diese Entscheidung der kongolesischen Behörden um. Doch eine Woche später erhielt der Mann noch mit seinem Pass alten Modells ein Visum von der französischen Botschaft in Dakar. Und so trat er seinen Hinflug an.

Samuel Pommeret, Referent für die afrikanische Region der Grossen Seen bei der französischen katholischen Entwicklungsorganisation CCFD-Terre Solidaire, hatte diesen Mann zum Arbeitstreffen nach Paris eingeladen. Er findet diesen Vorfall grotesk:
"SP: Das heisst, einerseits erlaubt man jemandem die Einreise auf französisches Territorium, und andererseits wird die Person daran gehindert, weil sie diesen ominösen neuen biometrischen Pass nicht besitzt.
Im Fall eines Akteurs aus dem Vereinswesen, der im Exil lebt, ist es selbstverständlich unmöglich, sich diesen neuen Pass zu besorgen. Er ist also vollkommen blockiert.
RDL: War Ihr Partner aufgrund seiner Tätigkeiten in der DRK unmittelbar bedroht worden?
SP: Genau. Dieser Partner lebt nicht mehr in der DRK, denn dort ist er bedroht. Dazu muss man sagen, dass er an der Spitze einer Organisation namens RIAO sitzt, die sich dem Landgrabbing durch eine mächtige agroindustrielle Firma widersetzt. Diese hat Abertausende Hektar Land im Kongo gekauft, in der Provinz Equateur und in der Provinz Orientale.
Seit Jahren machen die Gemeinschaften gegen diese Firma mobil, die ihnen ihre Grundstücke nimmt. Sie fordern die Rückgabe der Grundstücke und einen Dialog mit der Firma. Doch leider kommt dieser Dialog nicht zustande.
RIAO steht ihnen bei, organisiert sie, macht sie auf ihre Rechte aufmerksam und natürlich versucht sie, Druck auf die Geldgeber dieser Gesellschaft zu üben. Man muss wissen, dass diese Gesellschaft von französischen, belgischen, deutschen und spanischen Entwicklungshilfeeinrichtungen finanziert wird."

Wie Samuel Pommeret weiter erklärt, mischt auch das kongolesische Kabila-Regime in dieser dubiosen agroindustriellen Firma mit. Besonders vor diesem Hintergrund musste der Menschenrechtsverteidiger von RIAO mit Repression im Kongo rechnen und entschied sich für das Exil nach Senegal.
In Paris wollte er mit entwicklungspolitischen Organisationen wie dem CCFD-Terre-Solidaire Aktionen besprechen, um das Landgrabbing durch diese agroindustrielle Firma und ihre europäischen Geldgeber anzuprangern.

Laut Samuel Pommeret war die Abschaffung der alten Pässe tatsächlich umstritten im Kongo.
"Die Einführung dieser neuen Pässe hatte im Kongo eine Polemik entfacht, vor allem in den sozialen Netzwerken. Dort wurde kritisiert, dass es auch eine Methode sei, um die Bewegungsfreiheit und die Handlungsfreiheit von Kongolesen einzuschränken, die im Ausland leben und entweder in der Opposition oder in der Zivilgesellschaft aktiv sind.
Darüber hinaus befinden wir uns im generellen Kontext einer starken Verschlechterung der öffentlichen Freiheiten im Kongo. Die Lage der Menschenrechte ist scheusslich."

Dass ein Staat bei der Einführung neuer Pässe alle noch nicht abgelaufenen Pässe plötzlich für ungültig erklärt, ist unüblich und ziemlich willkürlich. Doch an diesem Vorfall sieht man, dass diese Massnahme erst dann wirksam wurde, als die französische Grenzpolizei diese Massnahme in ihrer internen Dienstanweisung umsetzte. Erst durch diese unhinterfragte polizeiliche Zusammenarbeit mit den kongolesischen Behörden nämlich werden der Menschenrechtsverteidiger von RIAO - und möglicherweise weitere Regime-Kritikerinnen in derselben Situation - tatsächlich in ihrer Reisefreiheit beschränkt.

Nachdem ihm die Einreise verweigert wurde, kam der Menschenrechtsverteidiger von RIAO in die sogenannte Wartezone des Flughafens. Dort werden Menschen zurückgehalten, denen die Einreise verweigert wird und die zurückgeschickt werden sollen. Er blieb dort ein paar Tage und flog zurück, als klar wurde, dass er nicht einreisen und also nicht an den geplanten Arbeitstreffen teilnehmen konnte.
In den zehn Stunden, bevor ihn die Grenzpolizei vom Flughafen in die Wartezone leitete, bekam der Mann keinen Zugang zu seinen Medikamenten, obwohl er in Behandlung wegen eines Schlaganfalls war. Er erhielt in dieser Zeit auch nichts zu essen und wurde nicht über seine Rechte aufgeklärt. Die Anafé, der einzige Verein, dem die französischen Behörden Zugang zu den Wartezonen von Flughäfen gewähren, kritisiert diesen rechtswidrigen Zustand. Laure Palun, Koordinatorin bei der Anafé, macht gleichzeitig klar, dass es sich bei diesem Vorfall keineswegs um einen Einzelfall handelt.
"In der Zeit, wo die Menschen am Flughafen blockiert werden und noch nicht in der Wartezone untergebracht werden, muss ihnen Zugang zu Nahrung und zu ihren Medikamenten gewährt werden. Das schreibt das Gesetz vor.
Normalerweise sollen die Menschen so kurz wie möglich am Flughafen zurückgehalten werden. Sie sollen innerhalb von wenigen Stunden in die Wartezone geleitet werden. Uns erzählen Menschen aber oft, dass sie mehrere Stunden lang aufgehalten wurden und in dieser Zeit keinen Zugang zu Nahrung hatten und dass die Grenzpolizei sie teilweise nicht einmal aufs Klo gehen liess."