Nach rassistischer Hetzjagd in Freiburg: Verwaltungsgericht verkennt Bedeutung der Pressefreiheit zur Aufklärung von Rassismus in der Polizei

Kommentare & Glossen bei Radio Dreyeckland (alle zeigen)

Verwaltungsgericht verkennt Bedeutung der Pressefreiheit zur Aufklärung von Rassismus in der Polizei

RDL-Logo-page-2.png

Lizenz: 
Keine (all rights reserved)

Wir brauchen dringend Spenden!

Das Freiburger Verwaltungsgericht hat in einer an diesem Donnerstag verkündeten Entscheidung den Eilantrag von Radio Dreyeckland zurückgewiesen. Mit dem Eilantrag wollten wir die Freiburger Polizei dazu zwingen, uns Informationen zum Aufgabenbereich der Polizeihauptkommissare, die an der rassistischen Hetzjagd im Stühlinger beteiligt waren, zu geben. Das Gericht erklärt: „Der Schutz der Persönlichkeit eines Polizeibeamten, der an Streitigkeiten am 12.06.2021 in der Freiburger Eschholzstraße beteiligt gewesen sein soll, sowie eines als Zeugen geführten Polizeibeamten steht der Erteilung weiterer Auskünfte durch das Polizeipräsidium Freiburg entgegen.“

Mit dieser Entscheidung verkennt das Freiburger Verwaltungsgericht die Bedeutung der Pressefreiheit zur Aufklärung von Rassismus innerhalb der Polizei. Bei der Frage, ob die Polizeihauptkommissare bei der Beantwortung der Fragen identifizierbar wären und ob das wichtiger zu werten wäre als das Informationsinteresse der Öffentlichkeit macht sich das Gericht die Argumentation der Polizei zu eigen. “Würde über die bereits mitgeteilten Informationen hinaus Auskunft zu ihrem dienstlichen Aufgabenbereich oder zu der Organisationseinheit, der sie angehörten, oder insbesondere zu der Frage erteilt, ob sie dem Einsatz- oder Führungsstab des Polizeipräsidenten angehörten, könnten sie jedenfalls für die übrigen Angehörigen des Polizeipräsidiums Freiburg identifizierbar sein.“ Jenseits der Frage, ob nicht sowieso schon ein beträchtlicher Personenkreis innerhalb der Polizei weiß, um welche Polizeihauptkommissare es sich handelt, hätte der Abwägungsprozess zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechts und der Pressefreiheit in diesem Fall anders ausfallen müssen.

Die Schwere der Vorwürfe - Todesdrohung gegenüber dem Betroffenen und die Rufe „Ausländer raus" und „Scheiß Kanake“ - wurde durch das Verwaltungsgericht völlig unzureichend gewürdigt. „Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnis sei jedoch noch offen, ob er die ihm angelasteten ausländerfeindlichen Äußerungen getätigt habe und ob tatsächlich eine 'Hetzjagd' stattgefunden habe“, so das Verwaltungsgericht. Diese Aussage ist sachlich falsch. Selbst die Freiburger Polizei schreibt in ihrer Presseerklärung bereits am 24.06.2021 bezogen auf den Polizeihauptkommissar als mutmaßlichen Hauptakteur des Vorfalls: „Als hinreichend gesichert erscheint es, dass durch diesen der Ausspruch "Ausländer raus" getätigt wurde.

Dass das Verwaltungsgericht erklärt, bei den Fragen nach dem 2. Polizeihauptkommissar, den die Polizei lediglich als Zeugen aufführt, fehle es am Informationsinteresse, ist ebenfalls unverständlich. Selbst wenn dieser offenbar keine so aktive Rolle bei der Hetzjagd gespielt hat, hat er sich dem Bericht des Betroffenen zufolge trotzdem nicht von der Gruppe distanziert und ist auch nicht wirksam eingeschritten.
Das Freiburger Verwaltungsgericht verneint den Auskunftsanspruch u.a. mit dem Hinweis, es handele sich bei dem noch laufenden behördlichen Disziplinarverfahren um ein durch Vertraulichkeit geprägtes Verwaltungsverfahren, in dem keine öffentliche Verhandlung durchgeführt werde. Mit dieser Auslegung der Auskunftsrechte der Presse würde es komplett der Behörde überlassen werden, wann eine adäquate Berichterstattung erfolgen kann. Das Verwaltungsgericht wird damit der Pressefreiheit und auch den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Selbstbestimmungsrecht der Presse nicht gerecht.
Das Verwaltungsgericht hat eine politische Entscheidung getroffen. Es führt in seiner Pressemitteilung aus: „Die von Radio Dreyeckland geäußerte Befürchtung, es würden keine neutralen Ermittlungen durchgeführt, könne ein Informationsinteresse hingegen schon deshalb nicht begründen, weil entsprechende Anhaltspunkte in keiner Weise ersichtlich seien.“
Diese Einschätzung steht im eklatanten Widerspruch dazu, dass die Ermittlungen zur Hetzjagd durch das Freiburger Polizeipräsidium geführt werden, obwohl zwei Freiburger Polizeihauptkommissare involviert waren. Auch die Schilderung der Polizeikontrolle zum Abschluss der Hetzjagd durch den Betroffenen bei der Autonomen Antifa sollte ausreichen, um Anhaltspunkte für berechtigte Zweifel an neutralen Ermittlungen zu begründen: „Der tättowierte Polizist legte seinen linken Arm um (Täter 1) und die beiden lächelten sich an. Es war offensichtlich, dass auch der zweite Polizist (Täter 1) kannte.“ Kurz: Als der Betroffene die Polizei rief, waren darunter (teilweise) bekannte oder befreundete Kollegen des mutmaßlichen Haupttäters!
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bedeutet, dass zahlreiche Fragen unaufgeklärt bleiben:
Wie kann es sein, dass eine offenbar vorhandene rassistische Einstellung bei einem hohen Polizeibeamten offenbar über Jahre niemandem aufgefallen ist? Welche Aufgaben hatte er innerhalb der Polizei? Hat sich seine Einstellung auf die Polizeiarbeit ausgewirkt? In welchem Verhältnis zu den beteiligten Polizeihauptkommissaren stehen diejenigen, die nun die rassistische Hetzjagd aufklären sollen?

Eine schlechte Entscheidung für Betroffene von rassistischem Polizeihandeln und ein schlechte Entscheidung für die Pressefreiheit.


Das Verfahren hat uns 823,59 € gekostet. Wir wollen weiter kritisch nachhaken und auch in Zukunft zur Not vor hoffentlich polizeikritischeren Richter*innen für die Pressefreiheit streiten. Als unkommerzielles Radio geht das aber nur mit Eurer Unterstützung.

Spendet unter dem Verwendungszweck Rechtshilfe für diesen und ähnlichen Fälle an unseren Rechtshilfefond und macht so der Freiburger Polizei auch nach dem unerfreulichen Urteil klar:
Rassismus in der Polizei muss lückenlos aufgearbeitet werden!
Spendenkonto: Freundeskreis RDL, IBAN: DE04 6809 0000 0009 3202 02 / BIC: GENODE61FR1 (Kto. 93 20 20 2, Volksbank Freiburg, BLZ 680 900 00)

(FK)

-------------

Nach der Veröffentlichung der Entscheidung haben wir auch mit unserem Rechtsanwalt David Werdermann über die Entscheidung des Gerichts gesprochen. "Eine krasse Fehlentscheidung und eine Verkennung der Presse- und Rundfunkfreiheit!" 8:26