Hey Dieter, Freiburger Flüchtlingsunterkünfte als menschenrechtsfreie Zone? Geht gar nicht!

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Hey Dieter, Freiburger Flüchtlingsunterkünfte als menschenrechtsfreie Zone? Geht gar nicht!

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Demnächst vielleicht In Kraft: Verpflichtungen von Sicherheitsunternehmen
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Stadt Freiburg/Presseamt

Der Sozialbürgermeister der Stadt Freiburg, Ulrich von Kirchbach, hatte im Herbst 2015 nach der BEA -Besichtigung des Landes gegenüber Stadträten noch erklärt und versichert: Ein solch restriktiver Kurs werde in den städtischen Einrichtungen nicht gefahren werden.

Nur wenige Monate später ist von diesen Zusagen überhaupt nichts mehr verblieben.
Bei einem Protest von Flüchtlingen gegen die Überbelegung in der Bissierstr. wollten diese den Berichterstattern der BZ die Enge demonstrieren. Die Security verweigerte den Journalisten den Zutritt. Protest half nicht.
Die mit Containern aufgestockte Gemeinschaftsunterkunft Bissierstr. ist gelegen neben der Güterbahn, der Chemischen Landesuntersuchungsanstalt und dem Regierungspräsidiums-Neubau. Sie ist auch nur einen Steinwurf von dem Verwaltungsgebäude des Landespolizeipräsidiums jetzt PD Freiburg entfernt. Um diese Flüchtlingsunterkinft ist mittlerweile ein massiver Zaun gezogen worden. Eine öffentliche Straße führt entlang der Güterbahn. Ein Wachhäuschen, an der anderen Strassenseite plaziert, ermöglicht es, die Durchfahrt zu sperren. Die Inneneinrichtungen sind demgegenüber aber nicht grundlegend saniert worden. In einer Einrichtung wohlgemerkt, die zu Beginn der 1990 er mit einem Laufzeitdatum von 10 Jahren errichtet wurde!

Eine Woche nach Inbetriebnahme der 2. BEA (Bedarfsorientierte ErstaufnahmeEinrichtung, die erste ist seit Oktober in der Stadthalle in Betrieb) in Regie der Stadt Freiburg auf dem Mundenhof – diesmal im Unterschied zur Stadthalle gar als Zeltunterkunft (!) - wird dann einer Kollegin von Radio Dreyeckland der Zutritt verweigert.
Ihr formloser Besuch der städtischen Einrichtung am Tiergehege Mundenhof, also draussen fern ab und von jedem gesellschaftlichen Kontakt isoliert, sollte zwanglos mit Flüchtlingen Kontakt aufnehmen und mit denen, die wollen, über Ihre Erfahrungen in dieser Unterkunft zu sprechen.
Die Security Leute am Eingang verweigern Ihr jedoch strikt den Zutritt. Die Kollegin wird an das Amt für Wohnraumversorgung verweisen. Von diesem wird Sie weiter an das Presseamt der Stadt geschickt.

Die stellvertretene Referatsleiterin für Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Martina Schickle, bittet um Verständnis für den „Schutz der Bewohner“. Auf fernmündliche Nachfrage bestätigt sie gar schriftlich am 29.1.2016 : „Da die ersten Flüchtlingsfamilien erst vor ein paar Tagen auf dem Mundenhofgelände angekommen sind, bitte ich um Verständnis, dass wir derzeit prinzipiell keine Interviews anbieten“
Aha! Die Flüchtlinge sind also städtische Verfügungsmasse, die von Ihr zu Interviews erwählt, ausgesucht und den Medien wohl auch „zum Fraß“ vorgeworfen werden????
Doch als PR erfahrene Person schiebt Sie nach, selbstverständlich geschieht alles nur zum Besten der der Stadt zugewiesenen Schutzsuchenden. Frau Schickle will nämlich auch wissen: „Die teilweise stark traumatisierten Flüchtlinge brauchen zunächst Ruhe und Zeit, sich einzugewöhnen“
Eine wohlbestallte städtische Beschäftigte findet nichts dabei, ausgerechnet beengte Zeltunterkünfte am Arsch von Freiburg – Mundenhof – ausgerechnet für „stark traumatisierte Flüchtlinge“ als so super geeignet zu präsentieren, dass sie dort „Ruhe und Zeit, sich (in was eigentlich? Bis April!) einzugewöhnen“. Wohl am besten am Wochenende ausgestellt wie die Bewohnerinnen in den benachbarten Tiergehegen für den sonntäglichen Familienausflug??
Zynischer geht es nun wirklich nicht! (Vom impliziten Feindbild der den Schutzsuchenden ihre „Ruhe störenden“ Journalisten mal ganz zu schweigen“)
 

Nach dem eine auf den Anrufbeantworter der Leiterin des Referats gesprochene Bitte um Rückruf eine Woche nicht beantwortet wurde, beharrte RDL auf der Beantwortung konkreter Fragen . Wer hat den Securities die Weisungen erteilt? Wie wurden die Firmen ausgewählt und die Qualität des Personals überprüft? Wie sehen die Hausordnungen der Notunterkünfte aus, dass etwa den Bewohnerinnen dieser städtisch zu verantwortenden Einrichtungen gar noch freie Besuchskontakte für ihre freie Lebensgestaltung verwehrt werden?

Als am Freitag, den 6. Februar diese Anfrage an die Leiterin des Referates, Edith Lamersdorf, verschickt wurde, musste am selben Tag die Polizeidirektion Freiburg in einer dieser städtischen Not-Unterkünfte tätig werden: gegenüber einem Mitarbeiter einer Security Firma musste ein Hausverbot erteilt und durchgesetzt werden, da er sich gegenüber einem minderjährigen Flüchtling offenbar sexuell genähert haben soll.

Die Dringlichkeit einer transparenten Diskussion über die Einrichtung wie Ausgestaltung der städtischen Notunterkünfte, vor allem aber der Gewährleistung der Menschenrechte in Ihnen, gerade für die zu Ihrer Benutzung verurteilten Bewohnerinnen, könnte also nicht nachdrücklicher unterstrichen werden.

Gleichwohl ergeht sich in Ihrer Beantwortung die öffentlich bedienstete Referatsleiterin Presse und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Freiburg, Edith Lamersdorf, vor allem in gekränkten Anrede Formalien und unhaltbaren Behauptungen, die nebenbei die Ankündigungen des Sozialbürgermeisters – auf Geheiß des OB? - pulverisieren.
Ungefragt beantwortet sie im Duktus des auch als selbstherrlich beschriebenen Dienstvorgesetzen im Oberbürgermeisteramt, die offenkundig nicht in Rede stehende Organisationskompetenz der Stadt mit folgenden Sound „ die Stadt selbstverständlich in allen Ihren Gebäuden und Flächen das Hausrecht hat. Sie kann daher sagen, ob ein Gebäude oder eine Fläche öffentlich ist oder nicht“ Wahrlich pickelhäubig nichtssagender kann mensch eine konkrete Frage („wer hat die Zutrittsverweigerung angewiesen?“) nicht beantworten!

Doch auch Frau Lamersdorf scheint mit einer menschenrechtlich korrekten, freien Lebensgestaltung von Flüchtlingen die gleichen heillosen Probleme wie Ihre Kollegin zu haben.
So fährt sie nach der Reklamierung des städtischen „Herr im Haus„ -Standpunktes folgendermassen fort: „“Im Fall einer Flüchtlingsunterkunft gilt dies im besonderen Maße, da den dort wohnenden Menschen größtmöglicher Schutz gewährt werden muss. Ausserhalb des Gebäudes und des Geländes steht es allen Bewohnerinnen und Bewohnern frei, sich zu bewegen und zu äußern und zu verhalten, wie sie es möchten“
 

Wir sollen uns wohl merken: In der Gemeinschaftunterkunft ist der städtische Kontrollanspruch grenzenlos, ausserhalb nicht verhinderbar!

Der flapsige Verweis auf Hausordnungen der (nichtstädtischen) Träger der Einrichtungen, die diese wohl - wie schon in der Landes-BEA geschehen - ohne (diesmal) städtische Kontrolle erlassen haben, auf der „allerdings nicht auf dem aktuellen Stand“ befindlichen Webseite freiburg.de/flüchtlinge leitet dann -nach erneuten copy and paste der vorherigen Auskunft Ihrer Kollegin - zur weiteren Kernauskunft zu den Sicherheitsfirmen über: „Im Hinblick auf die mit dem Flüchtlingszuzug der letzten Monate gegebenen Handlungsnotwendigkeiten wurden diese Firmen kurzfristig und zunächst befristet beauftragt. Gegenwärtig bereiten wir jedoch eine umfassende, europaweite Ausschreibung der Sicherheitsdienstleistung vor. Für die Ausschreibung sowie die Bewertung der Angebote wurde ein Kriterienkatalog "Standards für den Einsatz von privaten Sicherheitskräften in Flüchtlingsunterkünften" festgelegt, der im Wesentlichen auf den Vorgaben des Landes Nordrhein-Westfalen basiert.

Ins Reine gesprochen: Weil alles so schnell (?) kam, haben wir keine Sorgfalt an den Tag legen können. Das wollen wir demnächst aber nachholen, wenn es zu einer europaweiten Ausschreibung kommt.

Unser vom OB politisch zu verantwortendes, neoliberal ausgestaltete Kontrollregime zu diesen Einrichtungen verhindert zwar keine sexuellen Übergriffe durch das Wachpersonal, mit der menschenrechtskonformen Ausgestaltung unserer Lagerordnungen haben wir auch nicht soviel am Hut, aber ob Zustände wie in Villingen-Schwenningen möglich sind, beantworten wir den erneut bohrenden Medien – deren gesetzlich verbriefte Auskunftsrechten gegenüber sind wir eh ignorant - lieber nicht. So wie seit einer Woche u.a. alle Nachfragen zu einer zumindest ex-Post Kontrolle des ausgewählten Personals unbeantwortet sind.

Echt toll, Dieter … dieser grüne Regierungsstil

 

Euer Michael Menzel

Zur Information:

zum 31.1.2016 befinden sich in  Flüchtlingslager-Gemeinschaftsunterkünften der Stadt Freiburg 2.672 Menschen, davon knapp mehr Männer als Frauen. Erst 678 der weiteren Geflüchteten leben bis jetzt in "normalen" Wohnungen.