Zustände in der BEA: viele Fragen, schwammige Antworten

Zustände in der BEA: viele Fragen, schwammige Antworten

Das Regierungspräsidium Freiburg habe, so die Badische Zeitung am vergangenen Mittwoch, die meisten Vorwürfe des No-Lager-Bündnisses ausgeräumt. Das Regierungspräsidium hatte auf die Veröffentlichung des Bündnisses zu den "unerträglichen Zuständen" in der BEA mit einer Stellungnahme reagiert, die zunächst nur an zwei Medien, auf Nachfrage dann auch an RDL ging. Diese Stellungnahme lässt jedoch noch viele Fragen offen. Da der Pressesprecher des Regierungspräsidiums nicht zu einem Interview mit uns zu bewegen war - RDL sei ebensowenig neutral wie das No-Lager-Bündnis, dessen Kritik explizit grundsätzlich, damit politisch motiviert und daher wiederum per se nicht sachgerecht sei - reichten wir die Fragen seinem Vorschlag gemäß schriftlich ein. Auf die Antwort mussten wir fünf Tage warten - das Ergebnis ist höchst schwammig.

Im folgenden dokumentieren wir, als Überblick über den aktuellen Informationsstand, in chronologischer Reihenfolge die Stellungnahme des RP, den Fragenkatalog von RDL, die Antwort des RP, weitere zwei Nachfragen, die RDL heute Abend gestellt hat. Der Auslöser, die Pressemitteilung des No-Lager-Bündnisses, findet sich hier.

 

Stellungnahme des Regierungspräsidiums Freiburg (15. 09. 2015):

"No Lager Freiburg" ist ein aus verschiedenen Aktionsgruppen bestehendes Bündnis, das die bedarfsorientierte Einrichtung auf dem Gelände der Polizeiakademie in der jetzigen Form bereits von vornherein abgelehnt hat. Die in einer anonymen Pressemitteilung erhobenen inhaltlichen Vorwürfe entsprechen den politischen Zielen des Bündnisses. Dies kommt bereits in der Einleitung zum Ausdruck, da die geschilderten Missstände nach Meinung von "No Lager Freiburg" Zitat "nach unserer Meinung nach in solchen Lagern strukturell angelegt sind."

1.            Die Anlage
Die bedarfsorientierte Einrichtung in Freiburg entspricht den üblichen Standards für eine übergangsweise Erstaufnahmeeinrichtung, in denen die Flüchtlinge nur eine begrenzte Zeit verbringen. Die Einfriedung des Geländes dient nicht der Kasernierung der Flüchtlinge, sondern dient dem Schutz der Flüchtlinge. Es soll sich zudem niemand unbefugt von außen Zutritt verschaffen können. Der Betreiber ist ein privates Unternehmen, das sich auf den Betrieb dieser Einrichtungen spezialisiert hat. Der Sicherheitsdienst ist an ein weiteres Unternehmen vergeben, ebenso gibt es einen Dienstleistungsvertrag mit einem Cateringunternehmen. Die farbigen Bändchen stammen noch aus der Erstaufnahme in München und haben nichts mit der Unterbringung in der Freiburger Bea zu tun.

2.            Kein Bargeld für Flüchtlinge
Da die Flüchtlinge bisher nicht als asylsuchend registriert sind, unterliegen sie noch nicht den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes.

3.            Stagnierende Güterverteilung
Die Grundbedürfnisse werden bei der Erstaufnahme und auch bei Bedarf durch den Betreiber vor Ort abgedeckt. Die erfreulicherweise zahlreichen Spenden befinden sich noch im Prozess des Sortierens - aufgrund der sehr hohen Bereitschaft wird einfach etwas mehr Zeit benötigt als vorher gedacht. Bei Bedarf können die Flüchtlinge beim Betreiber warme Kleidung - soweit vorhanden - aus dem Fundus erhalten. Momentan können keine Spenden mehr angenommen werden, da zunächst die Sortierung zu Ende gebracht werden muss.

4.            Wohnen und Aufenthalt
Es handelt sich nicht um eine Daueraufenthaltseinrichtung, sondern um eine Notunterkunft, die aufgrund der stark angestiegenen Flüchtlingszahlen voll in Anspruch genommen werden muss. Auf dem Gelände gibt es neun Duschcontainer, in denen jeweils mehrere Duschen untergebracht sind. Insgesamt stehen auf dem Gelände der BEA etwa 50 Duschplätze zur Verfügung, die mehrmals am Tag im Rahmen der gemeinnützigen Arbeit gereinigt werden. Normalerweise steht warmes Wasser zur Verfügung - es gab nur während eines Stromausfalls kurzzeitig Probleme. Die Plätze bei der Essensausgabe sind ausreichend. Das ausgegebene Essen entspricht den Empfehlungen eines deutschen Fachinstituts. Es ist in einer bedarfsorientierten Einrichtung mit vorübergehender Unterbringung schon aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht vorgesehen, dass selbst gekocht werden kann. Die Flüchtlinge können das Gelände jederzeit verlassen und wieder betreten. Das wird ihnen auch so mitgeteilt.

5.            Medizinische Versorgung
Es gibt feste medizinische Sprechstunden, zu denen täglich jeweils auf dem Gelände für mehrere Stunden ein Arzt anwesend und ansprechbar ist. Dieser kann von den Flüchtlingen kostenlos in Anspruch genommen werden, was auch gut angenommen wird. Flüchtlinge können darüber hinaus im Bedarfsfall auch niedergelassene Ärzte konsultieren (gegen Krankenschein).

6.            Frauen, Kinder, Schwangere und stillende Frauen
Es wird bei der Belegung berücksichtigt, ob Familien zusammen untergebracht werden. Es wird derzeit nicht jedes Bett wird belegt. Auf die Situation von alleinstehenden Frauen wird - soweit dies im Rahmen der Platzmöglichkeiten geht - eingegangen. Babynahrung wird von EHC ausgegeben - besondere Bedürfnisse können individuell mit dem Betreiber im Bedarfsfall abgeklärt werden. Hilfsangebote ehrenamtlicher Kräfte sind grundsätzlich willkommen, müssen aber wegen der großen Zahl an Anfragen nach und nach über die kommunizierten Anlaufstellen (RP, Rotes Kreuz und EHC) abgearbeitet werden. Momentan sind fünf Sozialbetreuer von dem Bündnis der Hilfsorganisationen in Freiburg täglich vor Ort.

7.            Informationen
Die Flüchtlinge erhalten bei Ankunft ein kurzes Briefing, in dem über die Einrichtung, die Zugangsregeln und die tägliche Routine in mehreren Sprachen informiert wird. Die Rechte und Pflichten im Rahmen des Asylverfahrens werden den Bewohnern im Zug der unabhängigen Sozial- und Verfahrensberatung auf Wunsch erläutert. Deutschkenntnisse können im Stadium der Erstaufnahme nur ansatzweise angeboten werden - dies wird über Ehrenamtliche organisiert. Seit Freitag hat das RP auf dem Gelände der Bea Freiburg ein eigenes freies W-Lan-Netz zur Verfügung gestellt.

 

Nachfragen von Radio Dreyeckland (16.09.2015)

1. Kontrolle der in der BEA beschäftigten Unternehmen durch das RP
1.a Welche Befugnisse haben die Beschäftigten des
Sicherheitsunternehmens innerhalb der BEA (d.h. abgesehen von der
Kontrolle des Aus- und Eingangs bzw. Zugriffen von Nicht-BewohnerInnen)?
1.b Durch welche zuständige Stelle wird die Arbeit von European
Homecare und des Sicherheitsdienstes kontrolliert?
1.c Wie oft und nach welchen Kriterien wird die Arbeit der o.g.
Unternehmen geprüft?
1.d Inwieweit verlässt sich das RP auf Informationen aus der
betriebseigenen Qualitätssicherung von European Homecare?
1.e Bei welcher Stelle können sich BewohnerInnen der BEA über eventuelle
Anfeindungen beschweren und wie werden sie über diese Möglichkeit
informiert?

2. Öffentliche Kontrolle
2.a Wie ist eine Kontrolle der BEA durch die Öffentlichkeit gewährleistet?
2.b Nach welchem Verfahren und welchen Kriterien können VertreterInnen
der Presse, der Politik (z.B. des Gemeinderats) und von Organisationen
(z.B. flüchtlingssolidarische Vereine, Wohlfahrtsverbände etc.) Zutritt
zur BEA erhalten?
2.c Wie werden die Zugangskriterien und das Verfahren transparent gemacht?

3. Information
3.a Wie wird gewährleistet, dass die BewohnerInnen der BEA über ihre
Rechte und die ihnen zur Verfügung stehenden Angebote und
Dienstleistungen wirklich informiert sind? (z.B. bzgl. der
Regelungen zum Ausgang aus der BEA, Residenzpflicht, medizinischen
Versorgung, Kleiderkammer, Sprechzeiten und Zuständigkeiten des
Sozialdienstes etc.)
3.b Inwieweit werden solche grundlegenden Informationen auch nach dem
ersten Briefing wiederholt?
3.c Wie wird die sprachliche Verständigung bei der Verbreitung dieser
Basis-Informationen gewährleistet?
3.d Wie wird die sprachliche Verständigung im alltäglichen Umgang der
BewohnerInnen mit den BEA-MitarbeiterInnen gewährleistet?

5. Frauen
5.a In welcher konkreten Form wird auf die Situation von alleinstehenden
Frauen eingegangen?
5.b Wie wird auf die Situation von schwangeren und stillenden Kindern
eingangen

6. medizinische Versorgung
6.a Zu welchen Zeiten ist der Arzt in der BEA zu sprechen?
6.b Wie wird die sprachliche Verständigung mit dem Arzt gewährleistet?
6.c Wie werden die BewohnerInnen der BEA darüber informiert, dass und
wie sie niedergelassene Ärzte konsultieren können und wie sie diese finden?
6.d Wie wird die Behandlung durch FachärztInnen gewährleistet?
6.e Wie wird eruiert, ob bei BewohnerInnen der BEA Traumatisierungen
vorliegen und welche Angebote stehen den Betroffenen zur Verfügung
6.f Wie wird die Erreichbarkeit von niedergelassenen Ärzten und Kliniken
gewährleistet angesichts der Tatsache, dass die BewohnerInnen der BEA
weder Geldleistungen noch kostenlosen Zugang zu öffentlichen
Verkehrsmitteln erhalten?

7. Sozialdienst
7.a Zu welchen Zeiten sind die Sprechzeiten des Sozialdienstes?
7.b Wie viele MitarbeiterInnen stehen innerhalb dieser Sprechzeiten
jeweils zur Verfügung?

8. Sanitäre Anlagen:
8.a Seit wann sind die ca. 50 Duschen verfügbar?
8.b Wieviele Container mit je wievielen Plätzen existieren jeweils für
8.b.a Duschen
8.b.b für Toiletten
8.b.c für Waschmaschinen und Trockner
8.b.d (falls vorhanden:) für weitere Funktionen?

9. Nahrungsversorgung
9.a Inwieweit wird bei den Essensportionen auf unterschiedliche
Bedürfnisse unterschiedlicher Personen Rücksicht genommen (z.B. erhöhter
Energiebedarf, Allergien, religiöse Speisegebote)?
9.b Nach den Empfehlungen welches Fachinstituts richtet sich das
ausgegebene Essen?
9.c Welches Unternehmen wurde für das Catering engagiert?
9.d Wie wird sichergestellt, dass das Essen ausreicht, wenn kurzfristig
mehr Personen in der BEA untergebracht werden?

10. Daten und Kriterien für Personen in der BEA
10.a Welche Daten werden von Personen aufgenommen, die der BEA Freiburg
zugewiesen werden?
10.b Trifft es zu, dass die LEAs - und bei Raumnot in BEAs -
ausschließlich für Menschen eingerichtet werden, die Asyl suchen?
10.c Falls nein, nach welchen Kriterien werden Menschen untergebracht,
auf die die Kriterien nach 10.b nicht zutreffen?

 

Antwort des Regierungspräsidiums (21.09.2015)

Sehr geehrte Damen und Herren,
der große Zustrom an Flüchtlingen stellt die Behörden des Landes vor große Herausforderungen. Auch das Regierungspräsidium Freiburg kann die Aufgaben momentan nur noch unter größten zusätzlichen Anstrengungen bewältigen. Das bedeutet auch, dass die Mitarbeiter in großem Umfang Überstunden leisten müssen. 

Auch die sehr hohe Anzahl von Presseanfragen ist für uns kaum noch zu bewältigen. Spezielle Fragen wie in Ihrer Anfrage können nicht ohne ausführliche Rücksprache mit den Mitarbeitern beantwortet werden, die vor Ort in den Unterkünften sind. Wie Sie sich vorstellen können, sind aber gerade diese Mitarbeiter im täglichen Betrieb sehr stark belastet. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir Ihre Anfrage nur überschlägig beantworten können.

Wir arbeiten bei den bedarfsorientierten Einrichtungen mit jeweils drei individuellen Dienstleistern zusammen, die jeweils für einen Aufgabenbereich tätig sind. Für den inneren Betrieb gibt es einen Dienstleister, der sich um die Aufnahme der Flüchtlinge kümmert und um den reibungslosen Ablauf der Unterbringung. Als zweite Komponente gibt es einen Sicherheitsdienst, der für die Einlasskontrolle zuständig ist - diese dient in erster Linie dem Ziel, dass keine Unbefugten sich Zutritt verschaffen können. Als drittes Element gibt es einen Caterer, der das Essen anliefert, das in der Unterkunft warm gemacht und den Flüchtlingen gereicht wird. Aus Sicherheitsgründen und aus Platzgründen ist es in der Erstaufnahme nicht möglich, dass Flüchtlinge sich selbst etwas zubereiten können. Die Anbieter sind Unternehmen, die sich auf diese Aufgabe spezialisiert haben und die bereits Erfahrung an anderen Standorten haben. Die Abläufe bei der Versorgung und dem inneren Betrieb folgen bewährten Mustern, werden im Rahmen einer Qualitätskontrolle überwacht und notwendigenfalls in einer laufenden Aufgabenkritik fortlaufend optimiert.  Dazu gibt es einen ständigen Kontakt mit dem Betreiber, der auch direkt angesprochen werden kann, wenn Fragen oder Probleme auftauchen.

Das Regierungspräsidium Freiburg hat im Vorfeld der Einrichtung jeweils die Öffentlichkeit über die Medien informiert und zeitnah eine Informationsveranstaltung in Zusammenarbeit mit den zuständigen anderen Behörden in den Kreisen und den Kommunen organisiert. Diese waren jeweils sehr gut besucht. Im Fall der Notunterkunft in Freiburg hat es einen Tag der offenen Tür für die Anwohner gegeben, bei dem die Möglichkeit bestand, sich über die Einrichtung aus erster Hand kundig zu machen. Im Rahmen der begrenzten Kapazitäten macht das Regierungspräsidium Freiburg Begehungen und Termine für Medienvertreter, doch ist hier das Interesse deutlich größer als das kurzfristig bereitzustellende Angebot. Es ist zurzeit nicht möglich individuelle Begehungen zu organisieren, da auch hier die Zahl der Anfragen und Wünsche sehr groß ist. Wir begrüßen die außerordentlich hohe Spendenbereitschaft der Bevölkerung, die große Zahl an bereitwilligen Angeboten zur Hilfe, doch müssen diese Anfragen auch von den Helfern der Liga und des Roten Kreuzes gesichtet, bewertet und koordiniert werden. Das braucht einfach Zeit und Geduld. 

Die Flüchtlinge erhalten bei der Erstaufnahme eine Grundausstattung mit Bettzeug und Hygieneartikeln und werden vor Ort mit drei Mahlzeiten versorgt. Dabei ist es jedoch nicht möglich, auf alle Ernährungswünsche einzugehen. Es wird eine medizinische Versorgung in der Einrichtung angeboten, während derer je nach Größe der Einrichtung ein Arzt bis zu etwa drei Stunden am Tag vor Ort ist und auch von den Flüchtlingen konsultiert werden kann. Dazu wird nach einem festen Schlüssel eine Sozialbetreuung eingerichtet. Die Mitarbeiter des Betreibers werden so ausgewählt, dass die wichtigsten Sprachen, die von den Flüchtlingen gesprochen werden, abgedeckt sind. Bei Problemen und individuellen Wünschen können die Flüchtlinge den Info-Point aufsuchen, der 24 Stunden besetzt ist und eine Anlaufstelle bietet. Die Flüchtlinge können mit dem Heimausweis die Einrichtung verlassen und betreten, wie sie wünschen. Das Land stellt in den Beas flächendeckendes W-Lan zur Verfügung. Es wird auch an Lösungen für den ÖPNV gearbeitet, damit die Flüchtlinge Bus und Bahn nutzen können - diese müssen jedoch mit den Aufgabenträgern verhandelt werden und müssen je nach Standort individuell ausgesteuert werden.  

 

Zwei weitere Nachfragen von RDL (21.09.2015):

- Welche Kontrollinstanz ist konkret für die Qualitätskontrolle der
Dienstleister in der LEA zuständig?

- Wer / welche Stelle ist verantwortlich für den Text der Hausordnungen
in der BEA, in denen nachweislich behauptet wird, ein Verstoß gegen die
Hausordnung führe zur Ablehnung des Asylantrags (siehe heutige
Pressemitteilung des Südbadischen Aktionsbündnisses gegen Abschiebungen)?