"Grosse nationale Debatte" in Frankreich rückte soziale und ländliche Themen in den Fokus der Öffentlichkeit: Klinikschliessung durch gezielte Meldungen der Gesundheitsbehörden erreicht?

Klinikschliessung durch gezielte Meldungen der Gesundheitsbehörden erreicht?

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Demonstranten halten ein Transparent mit der Aufschrift 'Macron spaltet das Volk'
"Macron spaltet das Volk" - doch jetzt protestieren Gelbwesten und Gewerkschaften gemeinsam
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Von Thomon - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=75658473

In Frankreich endet am Wochenende die sogenannte "grosse nationale Debatte". Eine zweimonatige Reihe von thematischen politischen Diskussionen in verschiedenen Städten, die die Regierung in Reaktion auf die Gelbwestenproteste organisiert hatte.

Diese Debatte hat vermutlich vor allem eines gebracht: Soziale Themen und insbesondere solche, die den ländlichen Raum betreffen, wurden wieder öffentlich diskutiert. Öffentlich diskutiert, das heisst zum einen bei den Diskussionsveranstaltungen, die die Regierung in diversen Kleinstädten organisierte, und zum anderen in der Berichterstattung der überregionalen Medien.

So kam manchmal Interessantes ans Tageslicht. Mitte Februar ging es in einer Diskussionsveranstaltung um das Gesundheitswesen und insbesondere um die Schliessung von Krankenhäusern in ländlichen Gebieten. In der Kleinstadt Bernay in der Normandie soll die Geburtsklinik schliessen. Solche Themen schaffen es sonst meist nur als Einzelereignisse in den lokalen Blättern, vor allem wenn es um ländliche Gegenden geht.

Im Vorfeld der Veranstaltung also berichteten auch überregionale Medien über den Einzelfall. Dieser Fall könnte dabei nicht nur zur Debatte über die Sparpolitik im Gesundheitswesen beitragen, sondern auch zur Debatte über Falschmeldungen, sogenannte "Fake News".

Nun aber zur Geschichte: Die regionale Gesundheitsbehörde will die Geburtsklinik schliessen, weil die Zahl der Entbindungen auf knapp über der Grenze von 300 Geburten im Jahr gefallen ist. Unterhalb von 300 Geburten im Jahr werden Geburtsstationen systematisch geschlossen. Die Argumentation der Behörde lautet wie folgt: Bei durschnittlich weniger als einer Entbindung am Tag würde das Personal aus der Übung in diesem Bereich kommen, sodass sich die Qualität der Betreuung rund um die Geburt verschlechtern könne. Das Argument lautet also in etwa: Die Schliessung der Geburtsklinik wird nicht zu einer Verschlechterung der örtlichen Gesundheitsversorgung führen, sondern dient genau umgekehrt zur Sicherung der örtlichen Versorgungsqualität.

Zu den nächsten Krankenhäusern sind es prinzipiell rund 35 Kilometer. Angesichts der ländlichen Strassen jedoch bedeutet dies für viele Frauen eine Fahrtdauer von bis zu einer Stunde. Die regionale Gesundheitsbehörde hält dies für zumutbar. Studien hingegen stellten ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für Frau und Kind bei Fahrten von mehr als 45 Minuten zum Krankenhaus, zum Beispiel falls die Frau bereits auf der langen Strecke viel Blut verliert. Die Schliessung der Geburtsklinik war daher umstritten. Soweit zu den Auswirkungen der Sparpolitik im Gesundheitswesen.

Die Berichterstattung brachte dabei gleichzeitig überregional eine Kritik ans Tageslicht, die die Kommunikationspolitik der örtlichen Gesundheitsbehörde betrifft. Beschäftigte der Geburtsklinik kritisierten, dass sich der starke Rückgang der Geburtenzahlen in ihrer Einrichtung auch mit gezielten Meldungen der regionalen Gesundheitsbehörde erklären lässt. Bis 2017 hätte es jährlich noch doppelt soviele Geburten gegeben, also mehr als 600 im Jahr. Die regionale Gesundheitsbehörde habe aber aus Kostengründen die Geburtsklinik schliessen wollen. Sie habe mitgeteilt, dass die Betreuungsqualität in dieser Einrichtung nicht mehr garantiert werden könne und die Schliessung unmittelbar drohe. Erst daraufhin sei die Zahl der Entbindungen stark zurückgegangen, womöglich weil Frauen daraufhin glaubten, die Geburtsklinik sei bereits geschlossen oder ihre Gesundheit könne dort nicht ordentlich gewährleistet werden. Damit erklärte eine Krankenschwester, dass bereits jetzt die Hälfte der Schwangeren aus dem Umkreis in weiter entfernte Kliniken entbinden. Ihr zufolge hätte die Behörde also mit ihren gezielten Meldungen den gewünschten Rückgang der Geburtenzahlen in der Klinik von Bernay und damit die Voraussetzungen für die tatsächliche Schliessung hervorgebracht.

(mc)