Am gestrigen Donnerstag stand in Nordfrankreich ein Brite wegen des sogenannten Solidaritätsdelikts vor Gericht. Er war Ende Oktober von der französischen Grenzpolizei festgenommen worden, als er mit einer vierjährigen Afghanin im Koferraum seines Lieferwagens nach Grossbritannien fahren wollte. Ihren Vater hatte er in einem Slum von MigrantInnen bei Calais kennengelernt. Dieser hatte ihn gebeten, seine Tochter zur afghanischen Community im britischen Leeds zu fahren, um sie aus den harten Lebensbedingungen im Slum zu retten. Der Anklagepunkt gegen den britischen Fahrer lautete, er habe "durch direkte oder indirekte Hilfe den illegalen Verkehr eines Ausländers in Frankreich erleichtert". Dieser Anklagepunkt wird von migrationssolidarischen Kollektiven als Solidaritätsdelikt kritisiert, die seit Jahren seine Abschaffung fordern. Die Strafe kann bis zu 5 Jahren Haft und 30.000 Euro Strafgeld betragen. An einer Unterschriftenaktion gegen die Inhaftierung des britischen Fluchthelfers haben sich rund 120.000 Menschen beteiligt. Schliesslich wurde der Brite zu 1.000 Euro Strafgeld wegen "Gefährdung des Lebens eines Anderen" verurteilt, unter anderem weil das Mädchen nicht angeschnallt war.
Laut der Tageszeitung Le Monde kommt es in den vergangenen Monaten frankreichweit verstärkt zum Einsatz des Solidaritätsdelikts. Im Dezember wurde eine Frau verurteilt, weil sie Menschen ohne Aufenthaltspapiere mitgenommen hatte. Die Sozialisten hatten 2012 angekündigt, dass sie den Solidaritätsdelikt abschaffen wollten. Stattdessen hatten sie laut Le Monde aber lediglich die Liste von Fällen ausgeweitet, in welchen die HelferInnen der gerichtlichen Verfolgung entkommen können. Dazu zählt Hilfe ohne jegliche Gegenleistung, die sich auf Essen, Unterkunft, ärztliche Behandlung und Rechtshilfe beschränkt.